1210_Schicht-Fabrik

Schicht-Fabrik, Stellungnahme zu Planentwurf 8036 (Leopoldau), 2.11.2012

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 8036 im 21. Bezirk, Katastralgemeinde Leopoldau

für das Gebiet zwischen Hans-Czermak-Gasse, Satzingerweg und Angyalföldstraße

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Bestand, Geschichte und Bedeutung der Bauten im Plangebiet

Im Plangebiet befindet sich die so genannte “Schicht-Fabrik” (Angyalföldstraße 97-99 bzw. Schichtweg 123-133, ehem. auch Donaufelderstraße 123), ein Industrieensemble aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, das “weniger ein architektonisches als ein kultur- und sozialgeschichtliches Interesse verdient” (Zitat Achleitner).

Der Industrielle Georg Schicht II verlegte 1884 die Sodafabrik vom 10. Bezirk auf den Standort in Leopoldau . Die Firma erzeugte zunächst Kristallsoda, Ätznatron, Chlorkalk, Laugenessenz und Waschblau. Im Jahr 1900 ließ Georg Schicht sich nach seinen Plänen (er war Absolvent der Technischen Hochschule und hatte die Baumeisterprüfung) die “ans Phantastische, aber sicher ans Kuriose grenzende ‘Englische Villa'” erbauen (Architekt: Ferdinand Berehinak). Diese wird heute auch als “Schicht-Villa” bezeichnet. 1910 wurde “ein Wasserglasofen für die Herstellung der bekannten Schicht-Seife” errichtet, “die über den Zweiten Weltkrieg hinaus den Wohlstand der Firma sicherte. Neben dem bescheidenen, fast biedermeierlich wirkenden alten Wohnhaus und einem parkähnlichen Garten handelt es sich, einschließlich späterer Objekte (wie Garagen, Lagerhallen etc.) um ein geschlossenes Ensemble, das trotz der Bombenschäden ein interessanter ‘Zeitzeuge’ geblieben ist.” (Zitat Achleitner)

Vorschlag für Festlegungen im Plangebiet

Zunächst wird angeregt, genau zu prüfen, ob nicht durch einen grundsätzlich anderen Bebauungsplan und entsprechend geeigneter Nachnutzung im Bereich der Fabriksanlage, der historische Bestand besser erhalten bleiben kann. Zumindest wird empfohlen einige Teile der historischen Fabriksanlage Schicht-Fabrik zu erhalten und entsprechend zu widmen (Schutzzone, Baufluchtlinien teils den Fassadenverlauf anpassen, ggf. in Teilbereichen Bauhöhen bestandsgemäß). Unser Verein würde mindestens vorschlagen einige wesentliche Elemente der Fabriksanlagen (und wenn es auch nur manche Fassadenrudimente sein sollten), als Erinnerungsmal an die immer mehr schwindende Industriekultur in Floridsdorf zu erhalten sowie sicht- und erlebbar zu lassen und in eine mögliche Neubebauung zu integrieren (z.B. der Schlot, der schon heute seine Nachnutzung als Mobilfunksender gefunden hat), damit die Schicht-Villa nicht als Solitärgebäude ohne Bezug zum urprünglichen Zweck der Villa, Herrschaftshaus einer Fabriksanlage, erhalten bleibt und die industriegeschichtliche Konnotation des Gebietes ablesbar bleibt.

Laut Erläuterungsbericht soll die “Schichtvilla” als “identitatsstiftendes Element” erhalten und als einziges Gebäude in die künftige Nutzung integriert werden (Seite 2), die Erhaltung der Villa begrüßt und empfiehlt auch unser Verein. Wenn schon keine Schutzzone verordnet werden soll, da nur angedacht ist die Villa selbst zu erhalten, schlagen wir vor dieses Ziel möglichst auf rechtsverbindlichem Wege zu erreichen. (Nur für ein einziges Gebäude kann schwerlich eine Schutz-“Zone” verordnet werden, ohne Festlegung einer Schutzzone ist es dem Eigentümer jedoch erlaubt jederzeit ohne Begründung das Objekt abzureißen.) Unser Verein empfiehlt daher die Gebäudehöhen der “Schicht-Villa” in ihrer Differenziertheit genau dem Bestand anzupassen (aktuell ist vorgesehen das Gebäude viel zu hoch zu widmen, einheitlich mit Bauklasse II, also 12 m Traufhöhe). Gänzlich abzulehnen ist die Möglichkeit zur Errichtung von Staffelgeschoßen bei der Schicht-Villa, wie im Antragsentwurf vorgesehen (S.2, Pkt. 3.2.) und auch die mögliche Firsthöhe von 4,5 m über Traufe ist viel zu hoch (Pkt. 3.1.). Weiters wird vorgeschlagen die Anzahl der Geschoße in einer besonderen Bebauungsbestimmung (BB) genau dem Bestand entsprechend festzulegen (2 bzw. 3 Geschoße) und die Baufluchtlinien der Villa exakt dem Bestand anzupassen, zumindest auf 3 der vier Fassadenseiten (NW-, SW- und SO-Seite). Derzeit ist auf jeder Fassadenseite einiger Spielraum vorhanden zu einer möglichen Verunstaltung bzw. Nicht-Sichtbarkeit der historischen Fassade.

Bei Festsetzung einer Schutzzone wird zusätzlich vorgeschlagen die entsprechenden Architekurteile (insbesondere die charakteristischen und prägenden Dachaufsätze der Schicht-Villa) in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Quellen:
  • Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/3, Wien 19.-23. Bezirk, St. Pölten – Salzburg, 2010, Seite 247f.
  • Erläuterungsbericht zur Festsetzung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Plan Nr. 8036, 7. August 2012

 


An die

Magistratsabteilung 21 A
Rathausstraße 14-16
1010 Wien

ergeht in Kopie an:

  • die Bezirksvorstehung Floridsdorf
  • an die Mitglieder des Bauausschusses bzw. an die politischen Parteien im 21. Bezirk