1100_Hauptbahnhof-Projekt

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Favoriten

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Nr. 7768 im 10. Bezirk, Katastralgemeinde Favoriten

für das Gebiet zwischen Wiedner Gürtel (Bezirksgrenze), Karl-Popper-Straße, Canettistraße, Arsenalstraße (Bezirksgrenze), Alfred-Adler-Straße, Linienzug 1-2, Alfred-Adler-Straße, Karl-Popper-Straße, Gerhard-Bronner-Straße, Linienzug 3-5 und Gertrude-Fröhlich-Sandner-Straße

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

In der 35. Sitzung des Welterbekomitees in Paris (19.-29. Juni 2011) wurde in der Entscheidung (35 COM 7B.84) der Vertragsstaat Österreich ersucht, eine Monitoring Mission zu unternehmen, um die Gestalteigenschaften des Hauptbahnhofprojekts auf die Welterbeverträglichkeit zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf

  1. die vorgeschlagenen Änderungen in der Gestaltung des Hauptbahnhof Wien
  2. die möglichen Auswirkungen der neuen Entwicklungen auf diese Eigenschaften.
  3. die Integrität der Blickbeziehungen innerhalb der wichtigen Standorte auf diese Gestalteigenschaften.

Darüber hinaus liegt im gegenständlichem Plangebiet das SEESTE-Bauprojekt. Dieses Bauprojekt findet im Kontext zum Protokoll der 35. Sitzung des Welterbezentrums auf Seite 159 ausdrücklich Erwähnung. Darin heißt es: “Ein Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für dieses Gebiet könnte 2011 vorbereitet werden, wenn(!) die ‘impact studies’ vervollständigt und abgeschlossen wurden” (Originalzitat: “A zoning and development plan for the area could be prepared in 2011, once the impact studies have been completed”. Nachzulesen auf der homepage des World Heritage Centre, siehe: http://whc.unesco.org/en/decisions/4492/. Context of Decision: http://whc.unesco.org/archive/2011/whc11-35com-7Be.pdf) Die oben zitierte Visual Impact Study ist jedoch bis zum heutigen Tag nicht vervollständigt und abgeschlossen, sodass die Auswirkungen des vorliegenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanentwurfs nicht abgeschätzt und fachgerecht beurteilt werden können. Der Verein Initiative Denkmalschutz fordert daher die Stadtverantwortlichen dringend auf diesen Planentwurf solange nicht zu beschließen, solange all die genannten Auswirkungen auf das Welterbegebiet nicht profund beurteilt werden können und somit eine Gefährdung des Weltkulturerbestatus’ zu befürchten ist. Weiters forder die Initiative Denkmalschutz die Stadt Wien auf diesbezüglich in einen engen Dialog sowohl mit der UNESCO als auch mit der in Welterbeangelegenheiten die UNESCO beratenden Fachorganisation ICOMOS (Internationaler Rat für Denkmalpflege) zu treten. Dass die Auswirkungen und die Verträglichkeit auf das Welterbegebiet “Historisches Zentrum von Wien” (hier insbesondere in Bezug auf das Schloss Belvedere) nicht gänzlich geklärt sind, zeigt sich auch im Erläuterungsbericht zum Planentwurf, darin “wird empfohlen, dass zur Einreichung gelangende Hochhausprojekte durch Einmessungen nochmals auf die mögliche Beeinträchtigungen des Weltkulturerbes untersucht werden” (Seite 6). Ebenso auf Seite 6 im Erläuterungsbericht wird eingestanden, dass der Masterplan aus dem Jahr 2006 immer wieder Änderungen bedurfte. All diese Änderungen bedürfen somit auch wiederholter Weltkulturerbeverträglichkeitsprüfung. Offene Fragen ergeben sich:
  1. Wurde das Welterbezentrum im Vorfeld der öffentlichen Auflage des gegenständlichen Planentwurfs informiert und um Stellungnahme gebeten?
  2. Warum wurde die schon 2010 von der UNESCO verlangte Analyse aller(!) Blickbeziehungen zu und von den Bereichen des Welterbes, die eine Einschränkung des Wertes nach sich ziehen könnten, noch immer nicht erstellt?
  3. Warum wurde noch kein Versuch unternommen, den Einfluss der nächtlichen Beleuchtung der Neubauten auf das Welterbe darzustellen und in den Genehmigungsverfahren anzusprechen, wie dies sowohl von den Gutachtern der initialen Visual Impact Study Jänner 2010 als auch von der UNESCO gefordert wurde?
  4. In der Nachbesserung der Visual Impact Study 2011 wurden die durch Sichtbeziehungen deutlich belasteten Flächen dargestellt.Warum wurden die in diesem Bereich von der UNESCO verlangten Darstellungen des Blickes aus den Fenstern der Österreichischen Galerie im Oberen und Unteren Belvedere, sowie die Sichtbeziehungen nach Süden über den großen Teich von der Rampe zum Oberen Belvedere und von der Kapellentür nicht dargestellt und in Bezug auf die Belastung durch die vorgesehenen Höhenwidmungen analysiert?
  5. Da in den Erläuterungen auch kein Hinweis auf die (im Bericht der Sitzung Juni 2011 Paris des World Heritage Committee der UNESCO verlangte) Einladung der UNESCO zu einem gemeinsamen Komitee mit ICOMOS für eine Beobachtungsmission vor der Veränderung der Flächenwidmung zu erkennen ist – und somit eine akute Gefährdung des Welterbestatus der Wiener Innenstadt durch diese Widmungen unterstellt werden muss – lehnen wir als Verein diesen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanentwurf entschieden ab und fordern die Erfüllung der Vorgaben der UNESCO vor einer neuerlichen öffentlichen Auflage des Planentwurfs und eine Zurücknahme der Vorlage an den Gemeinderat in dieser unfertigen Form.

Schlussfolgerung: Im Erläuterungsbericht zum Planentwurf heißt es richtigerweise: *Sind die Anforderungen des Weltkulturerbes, die sich vorrangig aus der sensiblen Blickbeziehung vom Unteren zum Oberen Belvedere ergeben, zu berücksichtigen.” (Seite 10). Es wird daher eindringlich empfohlen von der Beschlussfassung des Planentwurfs vorläufig abzusehen, solange all die offenen Fragen nicht geklärt sind und von der UNESCO bzw. ICOMOS die Weltkulturebeverträglichkeit nicht festgestellt wurde.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Landerer und Claus Süss
im Namen des Vorstandes

Verein Initiative Denkmalschutz
Streichergasse 5/12, 1030 Wien (ZVR-Nr.: 049832110)
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: 0699 1024 4216