Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Mariahilf
Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 7953 im 6. Bezirk
Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:
Grundsätzlich wird im Sinne der Erhaltung des örtlichen Stadtbildes und der Altstadterhaltung, also zur Gewährleistung des Bestandes, eine bestandsgenaue Widmung für die historischen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Dadurch wird auch am ehesten – neben der Festsetzung einer Schutzzone – der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.
SCHUTZZONENERWEITERUNGEN
Ebenso wird angeregt den “Stadtsaal” in der Mariahilfer Straße 81 in die Schutzzone aufzunehmen. Der Stadtsaal wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts für das einstige Hotel “Englischer Hof” in der Ballepoche der Gründerzeit erbaut (zur Biedermeierzeit Hotel “Zum blauen Bock”). Der große Saal ist in reichen Formen des Neobarockstil des Späthistorismus ausgestattet und wurde aus den Mitteln des Altstadterhaltungsfonds 1993-95 aufwändig restauriert (Subvention 9,8.- Mio Schilling, MA 7). Das Haus Mariahilfer Straße 81 weist bis heute keinerlei Schutzstatus auf und steht nicht unter Denkmalschutz.
Obwohl das Haus Otto-Bauer-Gasse 14 (erbaut 1860) weitgehend seinen Fassadendekor verloren hat, weist dieses Haus einen bemerkenswert reich gestalteten und gut erhaltenen Mittelerker mit den in Wien sehr rar gewordenen zeittypischen, frühhistoristischen Dekor auf und soll daher Aufnahme in die Schutzzone finden. Ebenso möge geprüft werden, inwieweit auch das benachbarte Haus Otto-Bauer-Gasse 16 (erbaut 1862), mit frühhistoristischen Portaldekor und das benachbarte weitgehend veränderte Haus Otto-Bauer-Gasse 12 mit seinen geraden Fensterverdachungen im 1. Stock wert ist in die Schutzzone aufgenommen zu werden (beide letztgenannte Häuser sind noch vom spätbiedermeierlichen/frühhistoristischen Bild geprägt). Auch das Gründerzeithaus Hugo-Wolf-Gasse 2 mit seiner vereinfachten Fassadengestaltung möge Aufnahme in die Schutzzone finden.
Die gesamte Häuserzeile Liniengasse 2A-8 gehört in die Schutzzone aufgenommen, inbesondere das reich gestaltete Gründerzeit-Doppelhaus Liniengasse 2A-2B (= Loquaiplatz 1-2 bzw. Hirschengasse 12-14) mit seinem Neorenaissancedekor und Eckloggien (erbaut 1912, L. Schöne). Die beiden historistisch gegliederten Häuser Liniengasse 2 (= Hirschengasse 13) und Liniengasse 4 stammen ebenso aus der Gründerzeit wie das Haus Liniengasse 8 (= Webgasse 16), das 1890 wieder von Architekt L. Schöne errichtet wurde und Fensterädikulen, Eckrisalit mit Erker und späthistoristischen Dekor aufweist. Unbedingt in die Schutzzone gehört auch das von dem bekannten Architekten August Belohlavek erbaute Haus Liniengasse 3. (signiert: “August Belohlavek), das Historismus und Jugendstil in eigenwilliger und bemerkenswerter Weise verbindet.
Es wird nachdrücklich empfohlen die Häuser Hirschengasse 5-7 sowie Nr. 6 (und ev. Nr. 8) in die Schutzzone aufzunehmen. Das aus der Biedermeierzeit stammende 1stöckige Haus Hirschengasse 6 wurde 1883 mit einer historistischen Fassade verkleidet, weist eine genutete Fassade auf und ist mit einem aufwändigeren Mittelrisalit bereichert (Gedenktafel: Geburtshaus der Zwillingsbrüder Hans und Leo Frank, akad. Maler und Graphiker, geb. 13. Mai 1884). Das 2stöckige, biedermeierliche Haus Hirschengasse 5 (erbaut 1. H. 19. Jh.) weist gerade Fensterverdachungen und einen seichten Mittelrisalit auf. Das anschließende 4stöckige Haus Hirschengasse 7 mit seiner gut erhaltenen historistischen Fassadengliederung stammt aus der Gründerzeit (erb. 1895) und weist seitliche Doppelachsen und Risalite auf (Architekt L. Schöne).
Es wird empfohlen die Häuser Webgasse 2A-10 sowie Webgasse 11 in die Schutzzone aufzunehmen. Das Haus Webgasse 4 wurde 1905 erbaut (Arch. K. Gödrich) und weist Eckrisalite, Mittelerker und einen Dekor in historistisch-secessionistischen Mischformen auf. Die Webgasse 6 mit seinem späthistoristischem Dekor und seitlichen Risaliten wurde 1904 erbaut (R. Fegerl). Webgasse 10 mit seinen Riesenpilastern stammt wieder aus der Gründerzeit. Das Haus Webgasse 11 zeichnet sich besonders durch seinen feinen Neobarockdekor samt feingliedrigen Fenstererkern aus. Das Gründerzeithaus Webgasse 25 (erb. 1903, A. Bügler) weist seitliche eckige Erker und secessionistischen Dekor mit Masken auf und möge ebenso in die Schutzzone aufgenommen werden.
Die Häuser Schmalzhofgasse 22 (= Webgasse 33) sowie Schmalzhofgasse 24 sollen ebenso als Schutzzone gewidmet werden (Nr. 22: erbaut 1893 von F. Neumann, reich dekorierte Giebelzone im 2. Geschoß, runder Eckerker mit Zwiebelhelm-Dachaufsatz, Hauptportal mit Giebelbekrönung; Nr. 24: erb. 1873 von Franz Sonleitner, frühes Beispiel reicher Dekorationsformen der Hochgründerzeit, schwere Fenstergiebel, pilastergegliederte tonnengewölbte Einfahrt samt originalen Laternen, Höfe mit Pawlatschen).
Es wird empfohlen die Häuser Haydngasse 10 (secessionistischer Dekor) und Haydngasse 14 (späthistoristischer Dekor) in die Schutzzone aufzunehmen.
Zu Hinterfragen wäre die Herausnahme der Häuser Haydngasse 1 (= Liniengasse 14) sowie Haydngasse 3 aus der Schutzzone. Wieso sollen diese Häuser nicht mehr zur Schutzzone gehören? Welchen Wandel haben diese beiden Häuser seit der Aufnahme in die Schutzzone genommen bzw. welche neue Bewertung wurde vorgenommen bzw. neue Erkenntnisse gewonnen?
Die mit reichem Historismus-Dekor versehenen Häuser Webgasse 39 und Webgasse 41 sollen an die Schutzzone Mariahilfer Straße angegliedert werden (Schutzzone für Nr. 39-43). Die Häuser Stumpergasse 58 (Reste der historistischen Fassadengliederung), Stumpergasse 62 (reiche historistische Fassade) und Stumpergasse 14 sollen in die Schutzzone aufgenommen werden. Letzteres wurde 1908 erbaut und stammt vom sehr bekannten Architekten Oskar Marmorek, Fassade vereinfacht, weist aber noch deutliche Elemente des Secessionismus auf (Fenster etc.).
Die Häuser Millergasse 7-15 und Millergasse 12 sollen als Schutzzone gewidmet werden. Inbesondere das aus der Biedermeierzeit stammende 2stöckige Haus Millergasse 7 zeichnet sich durch seine Neuadaptierung 1878 von C. Stöger aus (palaisartige Konzeption: Beletage mit Mittelerker und reichen Fensterädikulen, Kranzgesims mit Löwenköpfen, pilastergegliederte Einfahrt). Das 3stöckige Haus Millergasse 13 weist gerade Fensterverdachungen und ein reich gegliedertes Kranzgesims auf. Die Millergasse 12 wird durch Gurtgesimse und gerade Fensterverdachungen im 1. Stock gegliedert.
Die Gumpendorferstraße 114 bis 116 soll in die Schutzzone aufgenommen werden. Das Haus Gumpendorfer Straße 114 u. 114A wurde 1891 erbaut (F. Olbricht u. F. Dehm), Seitenachsen durch Riesenpilasterordnung betont, späthistoristischer Dekor. Die Gumpendorferstraße 116 wurde 1885 erbaut (Ludwig Tischler), Fassadendekor leider abgeschlagen.
Es wird angeregt die Gumpendorferstraße 106-110 sowie Millergasse 2-4 als Schutzzone zu widmen. Der “Gumpendorfer Hof”, Gumpendorferstraße 106, wurde 1902 erbaut (W. König, Stadtbauamt), Riesenordnung, kleine Mittel- und Seitenerker, darüber Balkone, sehr reich secessionistisch bzw. nachhistoristisch dekoriert mit Ambitionen zum Zinspalais (A189), glasgedeckter Innenhof. Gumpendorfer Straße 108-110 (= Millergasse 2), Kloster der Barrmherzigen Schwestern, erb. 1902-03, Nr. 110 im Kern 1833/34, langgestreckte historistische Fassade, z.T. in Sichtziegel, Rechteckportal mit Sprenggiebel und Rundbogennische mit Heiligenfiguren aus Stein, im Inneren mit Wandmalereien , Mosaike, mehrfarbige Glasfenster, Altarbild um 1834 etc. (D241f.). Das Kloster ist eine der ganz wenigen Objekte, die im Plangebiet unter Denkmalschutz stehen.
BAUFLUCHTLINIEN
Grundsätzlich wird vorgeschlagen bei Häusern in Schutzzonen die Baufluchtlinien genau dem Bestand anzupassen. Es wird daher vorgeschlagen insbesondere bei den inneren Fassadenflächen entlang der Gumpendorferstraße die Baufluchtlinien dem Bestand anzupassen, ebenso bei den Innenhöfen der Schulhofpassage (zwischen Mariahilfer Straße 101 und Schmalzhofgasse 14, typisches Alt-Wiener Durchhaus, “wohl bedeutendste Passage in Mariahilf”, vgl. A194), entlang der Stumpergasse und Mariahilferstraße, Amerlingstraße, Schmalzhofgasse. Besonders abträglich in Schutzzonen sind Widmungen in Prozentangaben anstatt Bestandswidmungen (Haydngasse 5-13, Schmalzhofgasse 10-12).
HÖHENWIDMUNGEN
Grundsätzlich wird vorgeschlagen bei Häusern in Schutzzonen die Höhenwidmungen genau dem Bestand anzupassen, um das überkommen Stadtbild zu erhalten und Anreize für Abbruch und Neubau zu vermeiden. Insbesondere zu hoch gewidmet im Plangebiet sind: Esterhazygasse 27 (steht unter Denkmalschutz); Gumpendorferstraße 60, 64, 88 u. 110 (steht unter Denkmalschutz); Königseggasse 4 und 5 (= Ecke Brauergasse 7); Hirschengasse 5 u. 6; Liniengasse 10 u. 12; Mariahilfer Straße 81 u. 101; Millergasse 4 u. 7; Sonnenuhrgasse 4.
Weiters wird vorgeschlagen für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Landerer und Claus Süss
im Namen des Vorstandes
Verein Initiative Denkmalschutz
Streichergasse 5/12, 1030 Wien (ZVR-Nr.: 049832110)
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: 0699 1024 4216
Beilagen:
Foto 1: Schmalzhofgasse 14
Foto 2: Otto-Bauer-Gasse 14
Foto 3: Liniengasse 2A-2B
Foto 4: Gumpendorferstraße 106
- Dehio Handbuch – Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien II.-IX. und XX. Bezirk. Topographisches Denkmälerinventar, Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Wien 1993
- Kunsthistorische Arbeitsgruppe “GeVAG”, Wiener Fassaden des 19. Jahrhunderts – Wohnhäuser in Mariahilf, Wien-Köln-Graz, 1976 (aus der Reihe “Studien zu Denkmalschutz und Denkmalpflege”, Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, X).
- Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien 1.-12. Bezirk, Salzburg und Wien, 1990
- Mario Schwarz und Manfred Wehdorn, 101 Restaurierungen in Wien, Arbeiten des Wiener Altstadterhaltungsfonds 1990-1999, Wien 2000, S. 150f. (Mariahilfer Straße 81)
- Internet-Nachweis: Mariahilfer Straße 81, siehe: www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/stadtsaal.html
An die
ergeht in Kopie an:
-
die Bezirksvorstehung Mariahilf
- an die Mitglieder des Bauausschusses bzw. an die politischen Parteien im 6. Bezirk