Die Kaisergruft bei den Kapuzinern am Neuen Markt
Die Kaisergruft bei den Kapuzinern am Neuen Markt
Ein besonderer Friedhof, eine wichtige Stätte des Weltkulturerbes, eine denkmalpflegerische Herausforderung zur Bewahrung von wertvollsten Kunstgegenständen und eine Auseinandersetzung mit Geschichte und dem Genius loci. Die Kaisergruft ist 1618 durch Kaiserin Maria Anna, Gemahlin von Kaiser Matthias, welcher die habsburgische Residenz von Prag nach Wien zurückverlegte, als Stiftung mit dem Recht einer Grablege begründet worden (Gründergruft). Kirche und Kloster sind 1632 fertig gestellt worden. Der Großneffe des Stifterpaares, Kaiser Ferdinand III, hat die Gruft zur Erbbegräbnisstätte der Familie Habsburg auserkoren. Die Kaisergruft ist den Erfordernissen entsprechend durch Erweiterungen immer wieder vergrößert worden, jeweils im Stil ihrer Zeit und unter Mitwirkung höchstrangiger Künstler für Raum und Särge. Nacheinander sind als Bestandteile des gewachsenen Ganzen der Kaisergruft entstanden: Leopoldsgruft und Karlsgruft (Lukas von Hildebrandt), das barocke Prunkstück der Maria- Theresien-Gruft, die Franzensgruft im Biedermeier (Peter von Nobile für Sarg und Raum), die Ferdinands- und Toskanagruft (gemeinsam mit der Neuerrichtung des Klosters) sowie die Franz Josefs-Gruft und die Gruftkapelle in den letzten Jahren der Monar chie 1908-11 durch den Hof – architekten Perisic im secessionis – tischen Stil. Die Neue Gruft ist 1960 durch Karl Schwanzer als ein neu geschaffener Zubau unter dem Klostergarten geschaffen worden, ein besonders geglückter, einfühlsamer, aber kraftvoller Beitrag moderner österreichischer Architektur, der die historischen Gebäudeteile qualitätsvoll, aber nicht anbiedernd, ergänzt. Wir, Arch. Brenner und ich als Projektleiter, dürfen die Kaisergruft seit vielen Jahren begleiten und Sanierungen entwickeln und leiten. In der Folge will ich einige Projekte, die jeweils in engster und einvernehmlicher Zusammenarbeit mit den Kapuzinern und dem Bundesdenkmalamt abgewickelt worden sind, in knappster Form beschreiben. Jedes Projekt unterscheidet sich in der Aufgabenstellung vollkommen von den anderen, gemeinsam ist ihnen aber, dass jedes einzelne spannend war.
Klimatisierung der Kaisergruft und Verbesserung der Infrastruktur
Die massiven Korrosionsschäden an den künstlerisch und historisch hochbedeutenden Sarkophagen sind Folge der baulich begründeten, vormals ungünstigen Klimabedingungen, verstärkt durch Belastungen durch Besucher (nasse Kleidung), gewesen. Jahrelange Klimamessungen haben ergeben: Die Temperatur im Winter betrug ca. 8°C (Zinn, das Material der barocken Sarkophage, korrodiert unter 12,4°C), die relative Luftfeuchte im Sommer bis 98%. Die Vorarbeiten gingen einher mit einer umfassenden Bestandsaufnahme der Raumhülle sowie der Sarkophage. Das Projekt der Klimatisierung beinhaltete auch eine Wegführung um die Gruft, um Querungen zu vermeiden und Eingriffe zu minimieren, mit Einstichen, die kaum merkbar sind. Durch die Aufteilung der Zuleitung auf fünf von einander unabhängige Äste soll bei Bedarf auf sich verändernde Raumkonditionen rasch und zielgerichtet reagiert werden können. Verbunden mit einem neuen Besuchereingang (Kassa, Infrastruktur für Besucher, Aufzug) ist es zudem seither möglich, eine gegenstromlose und zumindest in den ältesten Bereichen chronologisch richtige Wegführung anbieten zu können. Die Klimatisierung funktioniert seit Inbetriebnahme. Das Fortschreiten der Korrosion dürfte gestoppt sein.
Restaurierung Gruftkapelle / Franz Josephsgruft, begleitet von der Neuentwicklung einer innovativen Steinverhängung
Die vor der Klimatisierung herrschenden klimatischen Bedingungen haben sowohl die Eisenträger der Durchgänge, die Verhängung der wandbegleitenden Steinanordnung als auch die Tragstruktur der Stuckdecken massiv angegriffen. Die Träger waren aufwändig (Nadelungen) zu tauschen, alle Steine abzunehmen und neu zu verhängen, die Decken zu sichern. Als wesentliche Neuerung der Sanierung sei die neue Steinverhängung kurz beschrieben: Zahnschienen aus Edelstahl mit eingelaserten Zähnen ermöglichten die Befestigung der Steine fugenlos, präzise und in der richtigen Distanz zur Wand mit herkömmlichen Ankern, jeweils einzelverhängt und ausreichend hinterlüftet. Die ursprünglichen Bohrlöcher konnten ohne Substanzverlust verwendet werden.
Neubeschriftung der Kaisergruft
Neben den Hauptdaten der hier bestatteten Persönlichkeiten (Name, Titel bei der Geburt, Geburtsjahr und -ort, Sterbejahr und -ort) und Information über direkte Vorfahren (Stichwort Heiratspolitik) wurde durchaus subjektiv ausgewählte Wissensvermittlung angeführt. Nicht Schlachten stehen dabei im Vordergrund, sondern überwiegend Wienbezüge, um auf die im Stadtbild ablesbaren Spuren der hier bestatteten Habsburger zu verweisen.
Restaurierung der Maria Theresien- Gruft
Umfangreiche Vorbefundungen des Kuppelfreskos von Josef Ignaz Mildorfer haben ein ernüchterndes Ergebnis zur Folge gehabt. Restaurierungen im 19. Jahrhundert und 1951 haben gemeinsam mit Schädigungen durch Klima und Fackeleinsatz zu starkem Substanzverlust des Originals geführt. Als hilfreich für die Restaurierung erwies sich der Vergleich mit dem kaiserlichen Frühstücks – pavillon in Schönbrunn – er und die Maria-Theresien-Gruft bilden ein untrennbares Gebäudepaar, beide beauftragt durch die Herrscherin Maria Theresia und Kaiser Franz Stephan und gestaltet von den renommiertesten Künstlern der Zeit: Architekt Jadot de Ville-Issey und Freskenmaler Mildorfer, dem Akademiepreis – träger. Als Glücksfall erwies sich, dass das Gemälde im Tierpark unmittelbar vor der Kaisergruft von Restaurator Riedel bearbeitet worden ist. Er konnte sich mit der Handschrift Mildorfer gut vertraut machen. Als Hauptmotiv des Freskos ist die Darstellung der Auferstehungsvision des Propheten Ezechiel zu finden. Seine Entsprechung finden wir in der Darstellung des Metallkünstlers Moll am Sargdeckel des Doppelsarkophags. Maria Theresia und Franz Stephan werden im Augenblick des Wiedererhebens nach dem Tod gezeigt. Insgesamt ist die gesamte Raumschale der Maria Theresiengruft bearbeitet worden: Kuppelfresko, Quadraturmalerei, Stuckmarmor, Steinboden und Steinsockel, Holz, Metallgitter und Ochsenaugen, verbunden mit erforderlichen Nebenarbeiten wie Einhausung des Doppelsarkophags, Gerüstung, Elektriker- und Beleuchtungsarbeiten, Sargbewegungen.
Resümee
Es gibt auch in der Zukunft noch einiges zu tun in der Kaisergruft, etwa die Sanierung der Franzensgruft (Stuckmarmor, Sanierung der Malschicht am Steinsockel) sowie weitere Steinsanierungen und Sargrestaurierungen. Wären jedoch alle wesentlichen Kunststätten in Österreich in so gutem Zustand wie dieser von den Kapuzinern bewahrte Friedhof der ehemaligen Herrscherfamilie, so wäre es gut bestellt um das Kulturgut in Österreich. Die Kapuziner nehmen ihre Aufgabe ernst. Sie gestatten Archivarbeit (die sich lohnt und zudem spannend ist), und sie ermöglichen der allerersten Garnitur von Restauratoren, hier zu arbeiten. Ich hoffe, Ihre Neugier auf das Original geweckt zu haben. Die Sonderführung im Jänner beinhaltet zudem auch Einblicke hinter die Kulissen und Vermittlung weiterer Projekte (Steinrestaurierung Sockel Kaiser Ferdinand und Herstellung neuer Särge) und einen Besuch der Restaurierwerkstätte.
DI Karl M. Schleritzko
Architekt, Projektleiter
iD-Führung: Kaisergruft
26.01.2013 (siehe S. 43)