1090_Spitalgasse 23

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan Alsergrund

Stellungnahme zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 7988 im 9. Bezirk, Katastralgemeinde Alsergrund

Neues AKH, Universitätsfrauenklinik, “Neue Kliniken” und Umfeld

Für das Gebiet zwischen Lazarettgasse, Borschkegasse, Währinger Gürtel (Bezirksgrenze zum 18. Bezirk), Severingasse, Prechtlgasse, Tendlergasse, Wilhelm-Exner-Gasse, Gießergasse und Spitalgasse

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Plangebiet: Das ca. 32 ha große Plangebiet umfasst im Wesentlichen das Allgemeine Krankenhaus (AKH; erbaut 1961-1991) und die “Neue Kliniken” (ehem. I. Medizinische Universitätsklinik sowie Universitäts-Frauenklinik) erbaut 1902-11, darin an der Spitalgasse 23 integriert das ehem. Versorgungshaus mit Kapelle (erb. 1868). An den nordwestlichen Rändern des Plangebietes befinden sich die ehem. Stadtbahn (heute U6), das Umspannwerk Michelbeuern, ansonsten zahlreiche zumeist aus der Gründerzeit stammende Wohnhäuser.

Schutzkategorien: Im Plangebiet ist keine Schutzzone gemäß Wiener Bauordnung ausgewiesen und im gegenständlichen Planentwurf auch nicht vorgesehen. Unter Denkmalschutz (jeweils vorläufige Unterschutzstellung per Verordnung, §2a Denkmalschutzgesetz) stehen das ehem. Brünnlbad in der Borschkegasse 4, die ehem. Universitäts-Frauenkliniken in der Spitalgasse 23, das Umspannwerk Michelbeuern aus den 1920er am Währinger Gürtel 78sowie die ehem. Stadtbahn, der heutigen “U6”, samt U-Bahn Betriebsbahnhof Michelbeuern. Weiters mit Bescheid das Biedermeier-Vorstadthaus in der Wilhelm Exner-Gasse 1.
Vorschlag: Die Initiative Denkmalschutz schlägt daher vor für alle oben genannten Objekte (und darüber hinaus, vgl. unten) eine Schutzzone auszuweisen. Auch muss an dieser Stelle bemängelt werden, dass bei den “Konsequenzen – Ziele der Bearbeitung” des Plangebietes im Erläuterungsbericht (vgl. Seite 7f.) auf den Punkt /”Gewährleistung des Bestandes von Gebieten, die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdig sind”/ offenbar vergessen wurde, der aber auf Grund der historischen Gegebenheiten ganz klar zu berücksichtigenwäre (sogar im Erläuterungsbericht auf Seite 10 wird von “erhaltenswerten Gebäuden”, z.B. Lazarettgasse 6-12, im Plangebiet gesprochen). Und auch im “Schutzzonenmodell Wien” aus dem Jahr 1996 (Magistratsabteilung 19) werden die Flächen am Randgebiet des Neuen AKHs als “mit hoher Wahrscheinlichkeit schutzzonenwürdig” eingestuft (Fläche dunkelgrau gefärbt, vgl. Abb. 1). Warum dieses Gebiet nun seitens der MA 21 bzw. MA 19 offenbar doch nicht schutzzonenwürdig sein soll, bleibt gänzlich unverständlich, zumal sich der Bestand in diesem Gebiet seit 1996 nur unwesentlich verändert hat.

Borschkegasse
In der Borschkegasse 4 befindet sich das besagte ehem. Brünnlbad, ein 6geschoßiger Bau mit Dekor in Formen der italienischen Frührenaissance, erbaut 1895-97 (unter Denkmalschutz, § 2a). Die Häuser Borschkegasse 6 (“Borschkehof”) und Borschkegasse 8 (vgl. Abb. 2, mit reichem secessionistischem Dekor: Pilaster, Frauenköpfe) sowie Borschkegasse 12-16 (Abb. 3) stammen aus der Gründerzeit und die Fassadengliederung ist weitgehend erhalten. Vorschlag: Die genannten Objekte mögen als Schutzzone gewidmet werden, zumal auch die gegenüberliegende, außerhalb des Plangebietes liegende Straßenseite zahlreiche schutzzonenwürdige Bauten aufweist. Weiters wird empfohlen in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße zu beschränken. Die Baufluchtlinien und die Höhenwidmungen mögen dem Bestand angepasst werden (insbesondere Borschkegasse 4, 8 und 12-16 sind zu hoch gewidmet).

Lazarettgasse
Die Häuser Lazarettgasse 6-12 (im Eigentum der Stadt Wien, vgl. Abb. 4) sowie Lazarettgasse 16 (Sanatorium “Goldenes Kreuz”, erbaut 1894 in Stil der Neorenaissance) und Lazarettgasse 18 stammen aus der Gründerzeit und deren Fassadengliederungen sind großteils gut erhalten. Sogar im Erläuterungsbericht (Seite 10) werden die Objekte Lazarettgasse 6-12 als “erhaltenswerte Gebäude” mit “wertvoller Bausubstanz” bezeichnet. Vorschlag: Die genannten Objekte mögen als Schutzzone ausgewiesen werden (die gegenüber liegende, außerhalb des Plangebietes liegende Häuserzeile ist schon als Schutzzone gewidmet). Weiters wird empfohlen in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße zu beschränken. Die Baufluchtlinien und die Höhenwidmungen mögen dem Bestand angepasst werden (insbesondere Lazarettgasse 6-8 ist zu hoch gewidmet).

Lazarettgassenweg
Im Areal des Neuen AKHs befinden sich am Lazarettgassenweg (in Verlängerung der Pelikangasse, Eingang Lazarettgasse) die ehem. I Medizinische (Interne) Klinik samt gegenüberliegendem Nachbarbau der ehem. Kinder-Klinik (vgl. Abb. 5-7). Beide Bauten wurden zwischen 1909 und 1911 errichtet und stellen architektonisch bedeutende Bauten des historischen Areals der “Neuen Kliniken” dar. Sie wurden von Bartholomäus Piekniczek und Alois Rasinger in Zusammenarbeit mit den Klinik Vorständen sowie dem Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Dr. Eduard Meder geplant. Erst die Dissertation von Monika Keplinger aus 2010 konnte nachweisen, dass die Fassadenentwürfe vom bekannten Ringstraßenarchitekten Emil von Förster stammen. Er war damals Leiter des Departements für Hochbau im Ministerium des Inneren und Mitglied der Ministerial-Kommission sowie des vorbereitenden Baukomitees und griff bis kurz vor seinem Tod 1909 in die Planungen ein (vgl. Keplinger, S.50f.). In dieser Bauphase vollzog sich die Abwendung vom secessionistisch beeinflussten Jugendstil hin zu Formen des Barock, Empire, Biedermeier und Heimatschutz. Im Baudekor der erhaltenen Bauten dominieren Blattfriese, Gehänge und Kränze, Parapetfelder mit Kanneluren und flache Reliefs. Die Putztafel mit Schriftzug an der I. Medizinischen Klinik an der südlichen Schmalseite erinnert an Wandfelder des josephinischen Plattenstils, wie sie auch Otto Wagner für seine Stadtbahn-Stationen abwandelte. (vgl. Keplinger, S. 252f.). Vorschlag: Die beiden unzweifelhaft erhaltenswerten Objekte mögen als Schutzzone ausgewiesen werden. Weiters wird im Sinne der Erhaltung der beiden Gebäude mit den Mitteln des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes vorgeschlagen die Baufluchtlinien und die Höhenwidmung dem Bestand genau anzupassen. Auch mögen in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße beschränkt werden. Die aktuell vorgesehenen Baufluchtlinien gehen in keiner Weise auf den Bestand ein, somit wird seitens der Wiener Stadtplanung offenbar der Abriss der beiden Objekte angestrebt, wie es auch aus dem Erläuterungsbericht hervorgeht (Seite 9): “Südlich des Hauptgebäudes befindet sich ein in schlechtem Bauzustand befindlicher Bauteil, welcher abgebrochen werden soll. Auch ein anderer, diesem gegenüberliegener, desolater Bauteil soll einem neuen Baukörper weichen, weshalb hier keine bestandsorientierte Widmung vorgesehen ist.”

Prechtlgasse 1, siehe Severingasse 11

Severingasse
Das Gründerzeithaus in der Severingasse 11 (Ecke Prechtlgasse 1) hat eine weitgehend gut erhaltene gründerzeitliche Fassadengliederung. Vorschlag: Es wird vorgeschlagen das Haus als Schutzzone zu widmen (und an die unmittelbar angrenzende Schutzzone, die außerhalb des Plangebietes liegt, anzuhängen. Auch mögen wieder in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße beschränkt werden. Inwieweit die aus der Gründerzeit stammenden Häuser in der Severingasse 13-21 (Fassaden großteils abgeschlagen, im Inneren aber weitgehend gründerzeitliche Struktur erhalten) als “Schonobjekte” schutzzonenwürdig sind, möge die MA 19 noch prüfen.

Spitalgasse 23, Universitäts-Frauenklinik
Die geburtshilflichen und gynäkologischen Kliniken wurden 1902-1908 auf den Gründen des ehem. Versorgungshauses “Zum blauen Herrgott” (1864-68 errichtet), und zwar unter Einbeziehung des Mittelteiles des Versorgungshauses (Abb. 8) und der Kirche (stehen gemäß § 2a unter Denkmalschutz). Laut Achleitner (S.240) ist die architektonische innen -und außenräumliche Qualität der Anlage nicht nur mit Steinhof vergleichbar, sie geht sogar noch (…) darüber hinaus” und besticht durch einfallsreiche Anwendung und Abwandlung von Jugendstildekor und einiger Otto Wagnerscher Gestaltungselemente (vgl. Abb. 9). Laut Achleitner “handelt es sich bei dieser Anlage um ein bedeutendes Dokument des Wiener Krankenhausbaus am Beginn des 20. Jahrunderts, um ein Ensemble, das auch in einer einmaligen, gesamtheitlichen Weise die kulturelle Potenz der Wiener medizinischen Schule widerspiegelt und das gerade angesichts des AKH-Neubaus als ein bedeutendes gesamtkulturelles Dokument anzusehen ist.” Vorschlag: Die Anlage der Universitäts-Frauenklinik soll unbedingt als Schutzzone ausgewiesen werden. Weiters wird im Sinne der Erhaltung des Gebäudes mit den Mitteln des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes vorgeschlagen die Baufluchtlinien und die Höhenwidmung dem Bestand genau anzupassen (die Baufluchtlinien sind nur für das ehem. Versorgungshaus samt Kapelle weitgehend angepasst). Auch mögen in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße beschränkt werden. Wieso hier seitens der Stadtplanung auf eine Schutzzone vergessen wurde und auch die Baufluchtlinien mehr als großzügig gehandhabt werden, bleibt gänzlich unverständlich, zumal auch die Anlage mit den Mitteln des Wiener Altstadterhaltungsfonds instandgesetzt wurde (eigene Tafel am Objekt angebracht). Auch die Bauhöhenwidmung möge dem Bestand angepasst werden.

Tendlergasse 11 = Wilhelm Exner-Gasse 3

Währinger Gürtel
Das Umspannwerk Michelbeuern am Währinger Gürtel 78 (erbaut 1925/26, Architekt Peter Brich) gehört – lt. Achleitner – “zu den betont schlichten Nutzbauten der zwanziger Jahre” des 20. Jahrhunderts und steht unter Denkmalschutz (§ 2a, Verordnung). Die U6-Trasse samt Betriebsbahnhof Michelbeuern steht ebenso unter Denkmalschutz (§ 2a, Verordnung). Vorschlag: Für all die genannten Bereiche wird daher eine Schutzzonenwidmung empfohlen und der Bebauungsplan möge möglichst genau dem Bestand angepasst werden.

Wilhelm Exner-Gasse
In der Wilhelm Exner-Gasse 1 (Abb. 10) befindet sich ein 2stöckiges unter Denkmalschutz stehendes Biedermeier-Vorstadthaus mit Pawlatschen im Hof (erbaut 1827 von Ignaz Ram, 1839 verändert). Das anschließende Zinshaus in der Wilhelm Exner-Gasse 3 (Ecke Tendlergasse 11, Abb. 10) stammt aus der Spätgründerzeit. Vorschlag: Die beiden Objekte mögen als Schutzzone ausgewiesen werden. Weiters wird im Sinne der Erhaltung der Gebäude vorgeschlagen die Baufluchtlinien und die Höhenwidmung dem Bestand genau anzupassen (im Planentwurf ist für die beiden in den Bauhöhen sehr unterschiedlichen Bauten die gleiche Höhenwidmung vorgesehen, W III = 16 Meter; die Baufluchtlinien beim Biedermeierhaus berücksichtigen in keiner Weise den Bestand (betrifft vorspringende Straßenfront und Hofbereich). Auch mögen in einer “Besonderen Bestimmung” (BB) die höchstzulässige Hauptgeschoßanzahl mit der bestehenden Anzahl der Hauptgeschoße beschränkt werden.

Vorschlag: Weiters wird vorgeschlagen für die hier empfohlenen Schutzzonen die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

All die hier genannten Vorschläge und Empfehlungen sollen der Altstadterhaltung und der “Gewährleistung des Bestandes von Gebieten, die wegen ihres örtlichen Stadtbildes in ihrem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdig sind,” dienen und Anreize für Abbruch und Neubau vermeiden.

Abschließend muss bemängelt werden, dass die im Erläuterungsbericht auf Seite 13 erwähnte “Beilage 1” im Rahmen der öffentlichen Auflage nicht publiziert wird und somit der Inhalt des genannten Antrags im Dunkeln bleibt.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Landerer und Claus Süss
im Namen des Vorstandes
Verein Initiative Denkmalschutz
Streichergasse 5/12, 1030 Wien (ZVR-Nr.: 049832110)
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: 0699 1024 4216

Beilagen:
Foto 1: Blindengasse 3
Foto 2: Borschkegasse 8
Foto 3: Borschkegasse 12-16
Foto 4: Lazarettgasse 12-8
Foto 5: Lazarettgassenweg, Neue Kliniken, ehem. I. Univeristätsklinik
Foto 6: Lazarettgassenweg, Neue Kliniken, ehem. I. Univeristätsklinik
Foto 7: Lazarettgassenweg, Neue Kliniken
Foto 8: Spitalgasse 23, Universitätsfrauenklinik, ehem. Versorgungshaus
Foto 9: Spitalgasse 23, Universitätsfrauenklinik
Foto 10: Wilhelm-Exner-Gasse 1-3

Literatur:
  • Dehio Handbuch – Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien X.-XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk. Topographisches Denkmälerinventar, Herausgegeben vom Bundesdenkmalamt, Wien 1996, Seite 288f. u. 287
  • Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1: Wien 1.-12. Bezirk, Wien, 1990
  • Monika Keplinger, Die “Neuen Kliniken” des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Situierung – Bautypen – Formensprachen, Dissertation, 2 Bände (Text- und Bildband), Wien 2010 (Textband siehe: http://othes.univie.ac.at/11457/)
  • Denkmallisten des Bundesdenkmalamtes, Stand: Mai 2011 (vgl. http://www.bda.at/downloads/1928/Denkmalliste)

An die

Magistratsabteilung 21 A
Rathausstraße 14-16
1010 Wien

ergeht in Kopie an:

  • die Bezirksvorstehung Alsergrund
  • an die Mitglieder des Bauausschusses bzw. an die politischen Parteien im 9. Bezirk