Hadersdorf (Wien-Penzing) Stellungnahme 8218. Gefährdete Häuser wegen Bauwidmung?

Initiative Denkmalschutz, 18. Juni 2020
Stellungnahme  zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 8218

Für das Gebiet zwischen Josef-Palme-Platz, Alois-Czedik-Gasse, Alois-Czedik-Steg, Trasse Westbahn, Mauerbachstraße, Pfarrgasse, Wienfluss, Dr.-Karl-Lueger-Brücke, Wienfluss und Wientalstraße im 14. Bezirk, Katastralgemeinde Hadersdorf und Weidling (Weidlingau)

Stellungnahme (Zusammenfassung):

Erfreulich sind die mehrfachen Neu-Ausweisungen von Schutzzonen. Stark kritisiert werden muss jedoch, dass für viele dieser Bauten die Baufluchtlinien und zum Teil auch Bauhöhenwidmungen viel zu wenig dem Bestand angepasst werden, sodass dadurch die Schutzfunktion von Schutzzonen konterkariert wird (z.B. ist das Gebäude in der Hauptstraße 21 sehr gefährdet (siehe Foto): schlechter Bauzustand, neu von GmbH erworben). Die geplante Herausnahme des Hauses Hauptstraße 81 aus der Schutzzone kann in keiner Weise nachvollzogen werden. Es wird empfohlen dieses ebenerdige Gebäude in der Schutzzone zu belassen. Weiters wird empfohlen die Häuser Hauptstraße 54-56 und Nr. 60 in die Schutzzone aufzunehmen.

Die Stellungnahme (Langfassung):

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der Erhaltung des örtlichen Stadtbildes und der Altstadterhaltung, also zur Gewährleistung des Bestandes, eine bestandsgenaue Widmung für die historisch wertvollen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Dadurch wird auch am ehesten – neben der Festsetzung einer Schutzzone – der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Anmerkung: Wir beziehen uns in dieser Stellungnahme für Schutzzonenerweiterungen primär auf die Außenerscheinung der Gebäude. Im Wissen, dass so manche Objekte eine unscheinbare bzw. im Verlauf von Jahrzehnten stark vereinfachte Fassade haben, im Inneren aber durchaus erhaltenswerte Bausubstanz aufweisen können, ist immer eine eingehende Untersuchung des Objektes notwendig. Da uns ein solcher Befund mangels Zutritt zu vielen Objekten und aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, empfehlen wir den Verantwortlichen, immer auch die innere Bausubstanz bei Schutzzonenerweiterungen zu berücksichtigen.

Die Stellungnahme im Einzelnen:

Vorbemerkung: Für die meisten historischen Bauten, für die im aktuellen Planentwurf Schutzzonen ausgewiesen werden, werden die Baufluchtlinien viel zu wenig dem Baubestand angeglichen. Derzeit zumeist großzügige Bauflächen mit „offener oder gekuppelter Bauweise („ogk“). Es wäre dringend nötig, nicht nur die Vorderfront mit den Baufluchtlinien zusammenfallen zu lassen, sondern auch an den Seitenfassaden. Rückwärtig kann je nach Bedeutung ein gewisser baulicher Spielraum belassen werden (insbesondere als Seitentrakte) oder allfällige nötige Bauflächen können getrennt davon ausgewiesen werden.

Bahnstraße 44. Trotz baulicher Veränderungen dieses Gründerzeithauses (insbesondere neue Fenster) ist eine Aufnahme in die Schutzzone zu prüfen.

Hauptstraße 15-27. Eine ebenerdige Häuserzeile mit deutlich zu hoher Widmung und Baufläche. Kein Wunder, wenn man bei einem der Häuser den Eindruck gewinnt, dass hier aktuell auf möglichst hohen Gewinn und Abriss spekuliert wird (Hauptstraße 21 weist einen schlechten Bauzustand auf. Laut Grundbuchauszug ist eine GmbH seit kurzem neue Eigentümerin: Kaufvertrag vom 31.1.2020).

Hauptstraße 42 (Ecke Mauerbachstraße 1). Ebenerdiges, altes Dorfhaus mit Gründerzeitfassadendekor weist eine deutlich zu hohe Widmung auf. Hier möge die Bauhöhe genau dem Bestand angepasst werden.

Hauptstraße 45-49. Hier sollen die Baufluchtlinien dem Bestand angepasst werden. Für das Haus Hauptstraße 47 (Sommervilla, erbaut von Architekt Matthäus Bohdal, um 1900) ist die Bauhöhenwidmung wieder deutlich zu hoch. Hier soll die Bauhöhenwidmung dem Bestand angepasst werden.

Hauptstraße 54-56 und Hauptstraße 60. Es wird vorgeschlagen auch diese drei Bauten als Schutzzone auszuweisen, wobei die Bauhöhenwidmung dem Bestand angepasst werden soll (insbesondere für Nr. 56 und 60 deutlich zu hoch).

Hauptstraße 62. Ehemaliges Bierlokal „hawei“. Es wird dringend empfohlen, dass die Baufluchtlinie mit der Hauptfassade zusammengeführt wird. Ansonsten würde dies den Zweck einer Schutzzone, das historische Stadtbild zu erhalten, zuwiderlaufen.

Hauptstraße 63-65, 69 u. 73.  Hier wird die Schutzzonenwidmung begrüßt. Allerdings wird diese durch die Ausweitung der Baufläche in Richtung Süden (im Vergleich zum gültigen Plandokument) konterkariert. Außerdem sind die Baufluchtlinien dem Bestand anzugleichen.

Hauptstraße 75. Hier ist die Aufnahme in eine Schutzzone zu prüfen und die Baufluchtlinien und die Höhenwidmung auf den Bestand anzupassen. Das Haus weist noch gut erhaltene historische Fenster und eine zum Teil noch frühgründerzeitliche Fassadengliederung auf.

Hauptstraße 79-81. Scharf kritisiert werden muss, dass bei den beiden Häusern die Bauhöhenwidmung um ganze drei Meter erhöht werden soll, obwohl es sich bei beiden um ebenerdige, erhaltenswerte historische Dorfhäuser handelt (im aktuell gültigen Plandokument 4,5 m, im Planentwurf 7,5 m Höhe vorgesehen). Die geplante Herausnahme des Hauses Hauptstraße 81 aus der Schutzzone wird strikt abgelehnt (aktuell in Schutzzone befindlich). Das von den Architekten F. Künzl und E. Sossik 1928/29 erbaute Haus Hauptstraße 81 (mit älterem Kern?) weist expressionistische Formen auf (vgl. Dehio-Handbuch, hrsg. Bundesdenkmalamt, S. 311). „Baulich maßgebliche Veränderungen am Bestand“ (Erläuterungsbericht S. 19), die als Begründung für die geplante Herausnahme aus der Schutzzone angeführt werden, können nicht festgestellt werden.

Hauptstraße 82. Städtischer Kindergarten. Es ist erfreulich, dass dieses von Matthäus Bohdal 1870 erbaute Haus in die Schutzzone neu aufgenommen werden soll, doch wenn man jetzt die Baufläche so massiv zur Straße hin ausweitet, dann konterkariert dies wieder den Schutzgedanken.

Herzmanskystraße 1 und Nr. 2-12 (ohne Nr. 10). Sehr begrüßt wird die im aktuellen Planentwurf vorgesehene, neue Ausweisung einer Schutzzone für diese historischen Villenbauten. Die Baufluchtlinien mögen aber wieder unbedingt dem Bestand angepasst werden (derzeit nicht der Fall).

Mauerbachstraße 1 siehe Hauptstraße 42

Mauerbachstraße 9 (ident Hauptstraße 50). Erfreulich, dass im aktuellen Planentwurf vorgesehen ist hier die Schutzzone zu erweitern. Dies macht jedoch nur Sinn, wenn auch gleichzeitig die Baufluchtlinien dem Bestand angepasst werden.

Mauerbachstraße 19. Erfreulich, dass im aktuellen Planentwurf für dieses historische Gründerzeithaus eine Schutzzone vorgesehen ist. Es ist jedoch gänzlich unverständlich, dass die Baufluchtlinien versetzt zur Vorder- und Rückseite des Gebäudes zu liegen kommen und die südöstliche Seitenfassade keine Begrenzung mit einer Baufluchtlinie erfährt.

Pevetzgasse 4 (Ecke Josef-Prokop-Straße 21). Bei der von Architekt Matthäus Bohdal 1890 erbauten Sommervilla mögen die Baufluchtlinien unbedingt dem Bestand angeglichen werden, um diese repräsentative Villa Anton Burger zu erhalten. (vgl. Eintrag „Wiener Wohnen“ der Stadt Wien: https://www.wienerwohnen.at/hof/989/Pevetzgasse-4.html).

Abschließend wird vorgeschlagen für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Markus Landerer und Claus Süss
im Namen der Initiative Denkmalschutz

Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
Fuchsthallergasse 11/5
1090 Wien, Österreich
(ZVR-Nr.: 049 832 110)
Literatur/Quellen:
– Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien X. Bis XIX und XXI. bis XXIII. Bezirk (Topographisches Denkmälerinventar, Hrsg. Bundesdenkmalamt), Wien 1996

– Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/2, Wien: 13.-18. Bezirk, Salzburg und Wien 1995- Kulturgüterkataster der Stadt Wien (Wien Kulturgut: www.wien.gv.at/kulturportal/public)

– Architektenlexikon Wien 1770-1945 (Architekturzentrum Wien): www.architektenlexikon.at

Oberdöbling (Wien): Stellungnahme zum Planentwurf 8242

Initiative Denkmalschutz: Stellungnahme zum Planentwurf 8242

Für das Gebiet zwischen Krottenbachstraße, Obkirchergasse, Linienzug 1-2, Leidesdorfgasse, Linienzug 3-4, Linienzug 4-5 (ÖBB Vorortelinie), Linienzug 5-7 (Karl-Fellinger-Park), Kuhngasse und Obersteinergasse im 19. Bezirk, Katastralgemeinde Oberdöbling.

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der Erhaltung des örtlichen Stadtbildes und der Altstadterhaltung, also zur Gewährleistung des Bestandes, eine bestandsgenaue Widmung für die historisch wertvollen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Durch diese Maßnahme – und durch die Festsetzung einer Schutzzone – wird am ehesten der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Anmerkung: Wir beziehen uns in dieser Stellungnahme für Schutzzonenerweiterungen primär auf die Außenerscheinung der Gebäude. Im Wissen, dass so manche Objekte eine unscheinbare bzw. im Verlauf von Jahrzehnten stark vereinfachte Fassade haben, im Inneren aber durchaus erhaltenswerte Bausubstanz aufweisen können, ist immer eine eingehende Untersuchung des Objektes notwendig. Da uns ein solcher Befund mangels Zutritt zu vielen Objekten und aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, empfehlen wir den Verantwortlichen, immer auch die innere Bausubstanz bei Schutzzonenerweiterungen zu berücksichtigen.

Das Areal: Im gegenständlichen Planentwurf befinden sich eine Anlage sowie zwei Gebäude unter Denkmalschutz (Bundesdenkmalamt): Der Karl Mark-Hof (Leidesdorfgasse 1, 1a, 2, 2a, 2b und 4, 4b; per Verordnung / § 2a Denkmalschutz), das heutige Bezirksgericht Döbling in der Obersteinergasse 20 (per Bescheid / § 3 Denkmalschutz) sowie der städtische Kindergarten in der Obkirchergasse 8 (per Verordnung / § 2a Denkmalschutz). [Vgl. Denkmalliste Wikipedia]

Allgemein: Sehr begrüßt wird – wenn auch spät * – die erstmalige Ausweisung von Schutzzonen im Plangebiet, die da sind: Karl-Mark-Gasse, Krottenbachstraße 10 bis 16, Leidesdorfgasse 1, 1a, 2, 2a, 2b, 3a, 4, 4a, 4b, Obersteinergasse 20 und 24, Obkirchergasse 8-10 und 16-22, Ohmanngasse 1, Sonnbergplatz 8-10.

Die Stellungnahme im Detail:

Krottenbachstraße 10: Bei diesem ebenerdigen Vorstadthaus, das im Planentwurf als Schutzzone ausgewiesen ist, mögen die Bebauungsbestimmungen in Bezug auf die Bauhöhe dem Bestand angepasst werden. Die im Planentwurf ausgewiesene Bauklasse II (= 12 Meter) übersteigt überdeutlich dem Bestand, sodass dies den Intentionen der Schutzzone – historische Altbauten zu erhalten – klar zuwiderläuft. (vgl. viergeschoßiger Neubau des Nachbarhauses Krottenbachstraße 8, der die gleiche Bebauungsbestimmung, Bauklasse II konsumiert hatte).

Krottenbachstraße 10 und 8, 1190 Wien

Das ebenerdige Vorstadthaus Krottenbachstraße 10 (li.) und sein Nachbarhaus Krottenbachstr. 8 (rechts im Bild), Foto: 21.4.2021, (c) Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Krottenbachstraße 16: Dieses einstöckige Vorstadthaus mit biedermeierlichem Kern ist im Planentwurf ebenso zu hoch gewidmet (Bauklasse II = 12 Meter). Die Bebauungsbestimmungen mögen daher dem Bestand angepasst werden.

Krottenbachstraße 16, 1190 Wien

Das einstöckige Vorstadthaus Krottenbachstraße 16 (im Kern biedermeierlich), Foto: 21.4.2021, (c) Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Obersteinergasse 20: heutiges Bezirksgericht Döbling, ehem. Villa Henikstein (erbaut kurz vor 1800) und ehem. „Privatheilanstalt für Geisteskranke“ (ab 1831), steht per Bescheid unter Denkmalschutz. Sehr begrüßt wird hier die geplante Anpassung der Baufluchtlinien an den Bestand (südostseitige Hauptfront).

Bezirksgericht Döbling, 1190 Wien

Obersteinergasse 20: Bezirksgericht Döbling, ehemals: Villa Henikstein u. „Privatheilanstalt für Geisteskranke“, Foto: Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Obersteinergasse 24: Bei diesem ebenerdigen Gebäude, das im Planentwurf als Schutzzone ausgewiesen ist, mögen die Bebauungsbestimmungen viel stärker dem Bestand angepasst werden (die Baufluchtlinien der südwestlichen Gebäudefassade sowie die Höhe betreffend). Insbesondere durch die im Planentwurf ausgewiesene Gebäudehöhe, die den Bestand deutlich übersteigt, ist zu befürchten, dass dies den Erhaltungsintentionen einer Schutzzone zuwiderläuft.

Obersteinergasse 24, 1190 Wien

Obersteinergasse 24: ebenerdiges Gebäude (im Hintergrund Obersteinergasse 18, ganz rechts im Bild Gebäudekante des Bezirksgerichts, Obersteinergasse 20), Foto: 21.4.2021, (c) Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Ohmanngasse 1: Bei diesem ebenerdigen, biedermeierlichen Vorstadthaus mögen die Baufluchtlinien stärker dem Bestand angepasst werden (insbesondere Fassadenfront gegen Nordwesten).

Ohmanngasse 1, 1190 Wien


Ohmanngasse 1: ebenerdiges, biedermeierliches Vorstadthaus westlich des Bezirksgerichts, Foto: 21.4.2021, (c) Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Abschließend wird nachdrücklich vorgeschlagen, für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Markus Landerer und Dr. Gerhard Hertenberger, im Namen der
Initiative Denkmalschutz, Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
www.initiative-denkmalschutz.at, mobil: +43 (0)699 1024 4216
www.facebook.com/initiative.denkmalschutz
https://twitter.com/iDenkmalschutz
Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien, Österreich
email:
ZVR-Nr.: 049832110

* für das 1936 erbaute Haus Quester des Architekten Carl Appel (1911-1997) in der Kuhngasse 7 kommt die Schutzzone zu spät. Dieses Einfamilienhaus, ein Frühwerk des bekannten Architekten, wurde zwischen 1999 (Foto Kulturgüterkataster) und 2019 abgerissen.

Literatur:

Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Band: Wien X. bis XIX. und XXI. Bis XXIII. Bezirk, Wien 1996

 

In dieser Stellungnahme erwähnte Adressen (alphabetische Reihenfolge):

Karl-Mark-Gasse, Krottenbachstraße 8, Krottenbachstraße 10, Krottenbachstraße 12, Krottenbachstraße 14, Krottenbachstraße 16, Leidesdorfgasse 1, Leidesdorfgasse 1a, Leidesdorfgasse 2, Leidesdorfgasse 2a, Leidesdorfgasse 2b, Leidesdorfgasse 3a, Leidesdorfgasse 4, Leidesdorfgasse 4a, Leidesdorfgasse 4b, Obersteinergasse 20, Obersteinergasse 24, Obkirchergasse 8, Obkirchergasse 10, Obkirchergasse 16, Obkirchergasse 18, Obkirchergasse 20, Obkirchergasse 22, Ohmanngasse 1, Sonnbergplatz 8, Sonnbergplatz 9, Sonnbergplatz 10

Otto Wagner Spital Steinhof: Vorläufige Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz (Planentwurf Nr. 8139)

Vorläufige Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz, 11. Februar 2020

Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 8139

Otto Wagner Spital Am Steinhof

Für das Gebiet zwischen Hansl-Schmid-Weg, Reizenpfenninggasse, Reichmanngasse, Käthe-Jonas-Weg, Sanatoriumstraße, Heschweg und Bezirksgrenze zwischen 14. und 16. Bezirk im 14. Bezirk, Katastralgemeinde Hütteldorf

Prolog

In Vorbereitung des am 15. Dezember 2006 im Gemeinderat beschlossenen, aktuell gültigen Plan­dokuments Nr. 7572 gab es erste Proteste der Zivilgesellschaft (Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung am 7. September 2006 im Jugendstiltheater Steinhof), da mit der absehbaren Aufhebung der „Öffentlichen Zwecke“-Widmung eine nachteilige Immobilienverwertung befürchtet wurde. In der gleichen Gemeinderatssitzung wurde ein Resolutionsantrag beschlossen, der besagt: „Im Sinne einer sinnvollen Gesamtnutzung im Interesse der WienerInnen sollen alle historisch und kulturell wertvollen Gebäude und Anlagen erhalten bleiben, bei der Nutzung der frei werdenden Flächen im Otto-Wagner-Spital der Denkmal- und Ensembleschutz streng beachtet und die BürgerInnen in die Neuplanungen der freiwerdenden Flächen einbezogen werden.“ Diese angekündigte Bürgereinbindung wurde in den nächsten Jahren missachtet. Spätestens im Jahr 2010/11 zeigte sich die Richtigkeit dieser Befürchtung, erste historische Gebäude im Ostareal wurden abgerissen. Im Juli [richtig: Juni] 2011 wurde mit Bauarbeiten für die Rehaklinik Wien Baumgarten [VAMED] begonnen [https://www.krone.at/269462]. Nach breiter medialer Kritik und Protesten aus der Bevölkerung wurden die Planungen für daran angrenzende Wohnbauvorhaben im Ostteil des Otto-Wagner-Spitals gestoppt.“ (Zitate aus dem Erläuterungsbericht S. 8). Der breite Unmut der Zivilgesellschaft entlud sich in der Bürgerversammlung am 28. September 2011 (gemäß Stadtverfassung; in der Busgarage Spetterbrücke), sodass Bürgermeister Michael Häupl in weiterer Folge am 28. Oktober 2011 die geplante Steinhof-Verbauung teilweise abgesagt hat. Er kündigte an, dass rund 200 der bisher 600 geplanten Wohnungen „ersatzlos gestrichen“ werden (siehe: APA-Meldung/Standard: https://www.derstandard.at/story/1319181475401/200-wohnungen-gestrichen-haeupl-macht-am-steinhof-tabula-rasa; ORF: https://wien.orf.at/v2/news/stories/2507182). Im Februar 2012 startete der Mediationsprozess (u. a. mit Bürgerplattform Steinhof, Bürgerinitiative Flötzersteig, Initiative Denkmalschutz). Unser Verein Initiative Denkmalschutz ist am Ende der Vormediation am 10. Juli 2012 aus der Mediation ausgestiegen (vgl. OTS: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120711_OTS0010). „Nachdem das Ziel einer konkreten Lösung für die Bebaubarkeit des Ostareals in der Hauptmediationsphase nicht erreicht wurde, wurde Konsens darüber erzielt, dass diesbezüglich eine Expertinnen- und Expertengremium unter Vorsitz von Architekt Univ.Prof. DI Adolf Krischanitz einberufen werden soll. (Zitat Erläuterungsbericht S. 9). Im Anschluss an das Expertengremium erfolgte ein Testplanungsverfahren („Entwicklungs­planungs­verfahren“). Am 22.1.2014 erfolgte eine nächste Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung, die am 11. Februar 2014 wegen des großen Nachfrage eine Wiederholung fand. In weiterer Folge wurde begonnen rund 160 Wohnungen neu zu errichten. Seit 2014 werden die Bürgerinitiativen „Steinhof erhalten“, „Steinhof als Gemeingut erhalten und gestalten“, die Bürgerinitiative Flötzersteig, der Verein „Initiative Denkmalschutz sowie der Verein „Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“ nicht müde zu verkünden, dass diese begonnene Wohn-Verbauung einen Bruch der Mediationsvereinbarung darstellt, denn wesentliche Grundsätze des Mediationsergebnisses werden ignoriert. Denn das Expertengremium stellte im Abschlussbericht im April 2013 explizit klar, dass “der Ostteil im funktionalen und räumlichen Zusammenhang mit dem Gesamtareal betrachtet werden muss.” Indem durch Wohnverbauung der 2. Schritt vor den 1. gesetzt wird, werden dem Gesamtprojekt wesentliche Zukunftschancen genommen. (APA-OTS-Presseaussendungen: “Stadt Wien ignoriert Mediationsergebnis” (25.11.2014): http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20141125_OTS0018; “Otto Wagner Spital Steinhof: Mit Start des Wohnungsbaus bricht Stadt Wien Mediationsvereinbarung! Bürgerinitiativen fordern Baustopp! (19.4.2017): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170419_OTS0023 sowie „Jugendstiljuwel Otto Wagner-Spital Am Steinhof: Prolongierter Bruch der Mediationsvereinbarung durch Baubeginn von 120 GESIBA Wohnungen!“ (15.10.2019): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191015_OTS0023.

Am 18. Dezember 2015 wurde wegen der einzigartigen kulturellen Bedeutung sogar ein „Heritage Alert“ (Kulturerbe-Warnung) seitens ICOMOS International ausgelöst und somit die Gefährdung der weltweit bedeutenden Jugendstilanlage von diesem Denkmalpflege-Fachbeirat der UNESCO international anerkannt. (siehe: https://www.icomos.org/en/get-involved/inform-us/heritage-alert/current-alerts/5453-icomos-heritage-alert-otto-wagner-hospital-steinhof-vienna)

2019 wurde erstmals eine Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung „aus rechtlichen Gründen“ verweigert, („kein überwiegendes Interesse des Bezirks“, wie es heißt)*. Stattdessen gab es am 30. Jänner 2020 eine „BürgerInnen-Informations- u. Diskussionsveranstaltung“ im Allianz-Stadion.

* siehe: 30.1.2020: Helmut Hofmann, „Demokratie – Abwürge bloßgestellt! Fragwürdiges „Geheimgutachten“ Der Verein „Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“ widerlegt eine ihr zugespielte, nicht veröffentlichte und nicht öffentlich zugänglich gemachte „Stellungnahme“ des Magistrats der Stadt Wien, mit der unerwünschte Bürgerversammlungen nach § 104c der Wiener Stadtverfassung nach Belieben „abgedreht“ werden könnten. Die rechtliche Gegenexpertise von Aktion 21 finden Sie hier:“ http://www.aktion21.at/themen/index.php?menu=96&id=3290

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der baulichen Erhaltung des Kulturerbes „Otto Wagner Spitals Steinhof“, eine bestandsgenaue Widmung für die historischen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Dadurch wird auch am ehesten – neben der Festsetzung einer Schutzzone – der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Zunächst wird das grundsätzliche Bemühen mit diesem Planentwurf Nr. 8139 eine Reduzierung der Bebaubarkeit des Areals des ehemaligen Otto Wagner-Spitals Steinhof vorzusehen, sehr begrüßt (vgl. auch Erläuterungsbericht S. 11). Nichtsdestotrotz weist der aktuelle Planentwurf weiterhin wesentliche Schwächen auf, die einer nachhaltigen Erhaltung des historischen Bestandes zuwiderlaufen, insbesondere im Bereich des Ostareals. Einerseits fielen dort einige Wirtschaftsbauten dem Abriss zum Opfer, andererseits kristallisierte sich immer mehr die besondere baukulturelle Bedeutung gerade des Ostareals heraus.

Forschung und baukulturelle Bedeutung, insbesondere Ostareal Am Steinhof

Neben der jahrzehntelangen Forschung der Kunsthistorikerin Dr. Mara Reissberger zur Anlage Am Steinhof (“‘Die weiße Stadt‘ – der ‚Steinhof‘ in Wien – Architektur als Reflex der Einstellung zur Geisteskrankheit“, gemeinsam mit Peter Haiko und Harald Leupold-Löwenthal, 1981), hat sich insbesondere in den letzten zehn Jahren die Technische Universität Wien der Thematik intensiv angenommen. Ausdruck dessen ist das Buch „Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der ehemaligen Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof in Wien.“ (Hrsg. Caroline Jäger-Klein und Sabine Plakolm-Forsthuber, Basel 2015; im Folgenden „DSA“ abgekürzt). Weiters wird insbesondere auf die von Univ. Prof. Dr. Sabine Plakolm-Forsthuber erstellte „Stellungnahme zur architektur- und kunsthistorischen Bedeutung des sog. Wirtschaftsareals im Otto Wagner Spital am Steinhof“ vom 27. August 2012 hingewiesen, die die besondere baukulturelle Bedeutung des Wirtschaftsareals im Osten der Anlage schlüssig nachweist. („Keinesfalls kann hier von einer, wie das BDA [Bundesdenkmalamt] schreibt: ‚nicht baukünstlerischen, sondern rein zweckmäßigen Überlegung‘ gesprochen werden, im Gegenteil, es sind exemplarische Bauten, wo Funktion und Form einander kongenial ergänzen und deshalb auch prominente ‚Zeitzeugen‘ der Wiener Moderne. (…) Da es sich hier um ‚Sonderbauten‘ handelte – im Unterschied z.B. zu den Pavillons, von denen, je nach Belag zwei bis vier nahezu idente Bauten errichtet wurden – waren in diesem Bereich die Planungen besonders genau und aufwendig. (…) Die Bezeichnung des gesamten Ostareals als ‚Wirtschaftshof‘ ist daher irreführend und dient m. E. lediglich dazu, den architektonischen Wert dieser Bauten herabzusetzen. Zusammenfassende Bemerkungen: (…) die Einzelgebäude wie Gebäudegruppen im Ostbereich der Anstalt unabdingbar mit der Gesamtanlage verbunden sind und ein Ensemble von außergewöhnlichem baukünstlerischen Wert darstellt.“

Die Stellungnahme im Detail:

Das Ostareal („Wirtschaftsareal“)

Lageplan und Ausführungen zu den einzelnen Baulichkeiten im Ostareal, dem so genannten „Wirtschaftsareal“, finden sich in DSA ab Seite 328.

Ganz im Nordosten des Areals befinden sich die historischen Gewächshäuser und das Gärtnerwohnhaus. Der im Planentwurf vorgesehene Bebauungsplan nimmt keine Rücksicht auf diese Baulichkeiten (40% Baulandwidmung und somit keine Baufluchtlinien dem Bestand angeglichen; vgl. auch Erläuterungsbericht (in Folge kurz EB), Seite 13: „Standort Gärtnerei und Equotherapie), sodass diese auch hinkünftig im Bestand sehr gefährdet sind. (Über historische Nutzung, Baugeschichte und Bestand siehe „DSA“ Seite 351-354; „Gärtnerei mit Glashäusern“ auch im Dehio-Handbuch – Hrsg. Bundesdenkmalamt – auf Seite 295 kurz beschrieben). Es wird daher dringend empfohlen, die Baufluchtlinien dem Bestand anzugleichen und eine Schutzzone für diese historischen Baulichkeiten auszuweisen.

Fleischerei (Ostareal): Im Erläuterungsbericht auf Seite 13 heißt es: „Westlich des Heizwerkes soll das Objekt der ehemaligen Fleischerei, das sich nach dem Ergebnis des Entwicklungsplanungs­verfahrens in restauriertem Zustand für Kinder- und Jugendeinrichtungen oder ähnliches eignen würde, innerhalb der Bauklasse I berücksichtigt werden.“ Für dieses kleine L-förmige Fleischerei­gebäude sind zwar erfreulicher Weise die Baufluchtlinien dem Bestand angepasst (was ausdrücklich begrüßt wird), doch ist die vorgesehene Bauklasse I ohne Beschränkung (also 9 Meter) zu hoch, insbesondere für den nördlichen, eingeschoßigen Trakt. Es wird daher empfohlen eine dem Bestand angepasste Bauklassenbeschränkung aufzuerlegen. Weiters wäre eine Schutzzone auszuweisen. Auf Grund des derzeit schlechten Bauzustandes ist zu befürchten, dass diese hier im Erläuterungsbericht gewählte Formulierung des Konjunktivs „… eignen würde“, rein der Beruhigung der Öffentlichkeit dienen soll und das Gebäude selbst längst für den Abriss vorgesehen ist, zumal sich das Gebäude aktuell in einem augenscheinlich sehr schlechten Bauzustand befindet. Das Gebäude wurde bereits 1994 im Zuge eines damaligen Abbruchansuchens vom Bundesdenkmalamt aus dem Denkmalschutz entlassen (BDA-Schreiben GZ: 945/31/2012), doch steht mittlerweile die baukulturelle Bedeutung dieses Einzelgebäudes im Wirtschaftsareal spätestens seit der Forschung durch Sabine Plakolm-Forsthuber und Caroline Jäger-Klein außer Frage. Plakolm-Forsthuber (2012) zum Sichtziegelgebäude der Fleischerei: „Es ist dies das letzte Bauwerk, das einen unmittelbaren Hinweis auf die in der Anstalt angestrebte Eigenversorgung gibt (Abstechraum und Selchkammer).“ (vgl. auch DSA, S. 347)

Ehemalige Militärbaracke (Pavillon 35): Der U-förmige Gebäudekomplex – direkt nördlich des in einem schlechten Bauzustand befindlichen Pavillon 8 gelegen – wurde im Zuge des 1. Weltkriegs für traumatisierte Soldaten 1916 errichtet (DSA, S. 298). Von den ursprünglich vier errichteten Baracken – Pavillon Nr. 35 bis Nr. 38 – hat sich nur noch Pavillon 35 bis heute erhalten. Die im aktuellen Planentwurf vorgesehenen Baufluchtlinien entsprechen in keiner Weise dem Bestand. Es wird daher empfohlen, die Baufluchtlinien gegen Westen, Süden und Osten exakt dem Bestandsgebäude von 1916 anzupassen. Auch die Höhenwidmung („BB9“ = 9 Meter) entspricht nicht dem Bestand und möge daher bestandsgenau gewidmet werden (Vgl. Erläuterungsbericht S. 14 und Antragsentwurf S. 4).

Die zentralen Pavillons der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof

Links und rechts der Hauptachse „Verwaltungsgebäude, Jugendstiltheater, Küche und berühmter Otto Wagner Kirche“ sind die einzelnen Heil- und Pflege-Pavillons situiert (DSA S. 260 ff.). Die westlichen weisen ungerade Nummern auf (Nr. 1 bis 21), die östlichen gerade Nummern (2- 24). Eine Ausnahme bildet der Pavillon 23, der sich im Nordosten der Anlage befindet. Hier werden gemäß Erläuterungsbericht (S. 11 f.) „die Front- und Seitenbereiche der Gebäude dem Bestand entsprechend festgesetzt“. An den „Rückseiten der Pavillons“ [nördlich] werden „geringfügige bebaubare Ergänzungsflächen“ vorgeschlagen. Unser Verein Initiative Denkmalschutz sieht diesen Spielraum sehr kritisch. Hier müssten noch deutliche Reduzierungen dieses Spielraums im Bebauungsplan erfolgen, ansonsten würde die nördliche charakteristische gestaffelte Fassadenerscheinung der einzelnen Pavillons weitgehend verloren gehen. Auch sind die geplanten Höhenwidmungen viel zu undifferenziert (Bauklasse III = 16 m), zumal sich die Höhenmaße der Bauteile deutlich unterscheiden. Hier wird empfohlen die gewidmete Höhe im Bebauungsplan dem Bestand deutlich stärker anzupassen.

Sinngemäß wird dies auch im westlichen Teil des ehemaligen Sanatoriums empfohlen (DSA, S. 306 ff.).

Abschließend wird nachdrücklich vorgeschlagen für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Markus Landerer und Claus Süss
im Namen der Initiative Denkmalschutz

Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
Fuchsthallergasse 11/5
1090 Wien / Vienna
Österreich / Austria
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: +43 (0)699 1024 4216
email:
(ZVR-Nr.: 049832110)

Literatur:

– Caroline Jäger-Klein und Sabine Plakolm-Forsthuber (Hrsg.), „Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der ehemaligen Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof in Wien.“, Basel 2015

– Sabine Plakolm-Forsthuber, „Stellungnahme zur architektur- und kunsthistorischen Bedeutung des sog. Wirtschaftsareals im Otto Wagner Spital am Steinhof“, 27. August 2012

– Schreiben des Bundesdenkmalamtes (BDA) an Gerhard Hadinger, den Sprecher der Bürgerinitiative „Steinhof erhalten“, 16. Juli 2012 (GZ: 945/31/2012)

– Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/3, Wien 19.-23. Bezirk, St. Pölten – Salzburg 2010, Seite 88

– Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien X. bis XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk (Hrsg. Bundesdenkmalamt), Wien 1996, Seite 291 bis 296

Otto Wagner Spital Steinhof: Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz (Planentwurf Nr. 8139)

Endgültige Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz, 20. Februar 2020

Stellungnahme zum Entwurf

Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 8139

Otto Wagner Spital Am Steinhof

Für das Gebiet zwischen Hansl-Schmid-Weg, Reizenpfenninggasse, Reichmanngasse, Käthe-Jonas-Weg, Sanatoriumstraße, Heschweg und Bezirksgrenze zwischen 14. und 16. Bezirk im 14. Bezirk, Katastralgemeinde Hütteldorf

Prolog

In Vorbereitung des am 15. Dezember 2006 im Gemeinderat beschlossenen, aktuell gültigen Plan­dokuments Nr. 7572 gab es erste Proteste der Zivilgesellschaft (Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung am 7. September 2006 im Jugendstiltheater Steinhof), da mit der absehbaren Aufhebung der „Öffentlichen Zwecke“-Widmung eine nachteilige Immobilienverwertung befürchtet wurde. In der gleichen Gemeinderatssitzung wurde ein Resolutionsantrag beschlossen, der besagt: „Im Sinne einer sinnvollen Gesamtnutzung im Interesse der WienerInnen sollen alle historisch und kulturell wertvollen Gebäude und Anlagen erhalten bleiben, bei der Nutzung der frei werdenden Flächen im Otto-Wagner-Spital der Denkmal- und Ensembleschutz streng beachtet und die BürgerInnen in die Neuplanungen der freiwerdenden Flächen einbezogen werden.“ Diese angekündigte Bürgereinbindung wurde in den nächsten Jahren missachtet. Spätestens im Jahr 2010/11 zeigte sich die Richtigkeit dieser Befürchtung, erste historische Gebäude im Ostareal wurden abgerissen. Im Juli [richtig: Juni] 2011 wurde mit Bauarbeiten für die Rehaklinik Wien Baumgarten [VAMED] begonnen [https://www.krone.at/269462]. Nach breiter medialer Kritik und Protesten aus der Bevölkerung wurden die Planungen für daran angrenzende Wohnbauvorhaben im Ostteil des Otto-Wagner-Spitals gestoppt.“ (Zitate aus dem Erläuterungsbericht S. 8). Der breite Unmut der Zivilgesellschaft entlud sich in der Bürgerversammlung am 28. September 2011 (gemäß Stadtverfassung; in der Busgarage Spetterbrücke), sodass Bürgermeister Michael Häupl in weiterer Folge am 28. Oktober 2011 die geplante Steinhof-Verbauung teilweise abgesagt hat. Er kündigte an, dass rund 200 der bisher 600 geplanten Wohnungen „ersatzlos gestrichen“ werden (siehe: APA-Meldung/Standard: https://www.derstandard.at/story/1319181475401/200-wohnungen-gestrichen-haeupl-macht-am-steinhof-tabula-rasa; ORF: https://wien.orf.at/v2/news/stories/2507182). Im Februar 2012 startete der Mediationsprozess (u. a. mit Bürgerplattform Steinhof, Bürgerinitiative Flötzersteig, Initiative Denkmalschutz). Unser Verein Initiative Denkmalschutz ist am Ende der Vormediation am 10. Juli 2012 aus der Mediation ausgestiegen (vgl. OTS: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120711_OTS0010). „Nachdem das Ziel einer konkreten Lösung für die Bebaubarkeit des Ostareals in der Hauptmediationsphase nicht erreicht wurde, wurde Konsens darüber erzielt, dass diesbezüglich eine Expertinnen- und Expertengremium unter Vorsitz von Architekt Univ.Prof. DI Adolf Krischanitz einberufen werden soll. (Zitat Erläuterungsbericht S. 9). Im Anschluss an das Expertengremium erfolgte ein Testplanungsverfahren („Entwicklungs­planungs­verfahren“). Am 22.1.2014 erfolgte eine nächste Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung, die am 11. Februar 2014 wegen des großen Nachfrage eine Wiederholung fand. In weiterer Folge wurde begonnen rund 160 Wohnungen neu zu errichten. Seit 2014 werden die Bürgerinitiativen „Steinhof erhalten“, „Steinhof als Gemeingut erhalten und gestalten“, die Bürgerinitiative Flötzersteig, der Verein „Initiative Denkmalschutz sowie der Verein „Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“ nicht müde zu verkünden, dass diese begonnene Wohn-Verbauung einen Bruch der Mediationsvereinbarung darstellt, denn wesentliche Grundsätze des Mediationsergebnisses werden ignoriert. Denn das Expertengremium stellte im Abschlussbericht im April 2013 explizit klar, dass “der Ostteil im funktionalen und räumlichen Zusammenhang mit dem Gesamtareal betrachtet werden muss.” Indem durch Wohnverbauung der 2. Schritt vor den 1. gesetzt wird, werden dem Gesamtprojekt wesentliche Zukunftschancen genommen. (APA-OTS-Presseaussendungen: “Stadt Wien ignoriert Mediationsergebnis” (25.11.2014): http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20141125_OTS0018; “Otto Wagner Spital Steinhof: Mit Start des Wohnungsbaus bricht Stadt Wien Mediationsvereinbarung! Bürgerinitiativen fordern Baustopp! (19.4.2017): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20170419_OTS0023

sowie „Jugendstiljuwel Otto Wagner-Spital Am Steinhof: Prolongierter Bruch der Mediationsvereinbarung durch Baubeginn von 120 GESIBA Wohnungen!“ (15.10.2019): https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191015_OTS0023.

Am 18. Dezember 2015 wurde wegen der einzigartigen kulturellen Bedeutung sogar ein „Heritage Alert“ (Kulturerbe-Warnung) seitens ICOMOS International ausgelöst und somit die Gefährdung der weltweit bedeutenden Jugendstilanlage von diesem Denkmalpflege-Fachbeirat der UNESCO international anerkannt. (siehe: https://www.icomos.org/en/get-involved/inform-us/heritage-alert/current-alerts/5453-icomos-heritage-alert-otto-wagner-hospital-steinhof-vienna)

2019 wurde erstmals eine Bürgerversammlung gemäß Stadtverfassung „aus rechtlichen Gründen“ verweigert, („kein überwiegendes Interesse des Bezirks“, wie es heißt)*. Stattdessen gab es am 30. Jänner 2020 eine „BürgerInnen-Informations- u. Diskussionsveranstaltung“ im Allianz-Stadion.

* siehe: 30.1.2020: Helmut Hofmann, „Demokratie – Abwürge bloßgestellt! Fragwürdiges „Geheimgutachten“ Der Verein „Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“ widerlegt eine ihr zugespielte, nicht veröffentlichte und nicht öffentlich zugänglich gemachte „Stellungnahme“ des Magistrats der Stadt Wien, mit der unerwünschte Bürgerversammlungen nach § 104c der Wiener Stadtverfassung nach Belieben „abgedreht“ werden könnten. Die rechtliche Gegenexpertise von Aktion 21 finden Sie hier:“ http://www.aktion21.at/themen/index.php?menu=96&id=3290

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der baulichen Erhaltung des Kulturerbes „Otto Wagner Spitals Steinhof“, eine bestandsgenaue Widmung für die historischen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Dadurch wird auch am ehesten – neben der Festsetzung einer Schutzzone – der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Zunächst wird das grundsätzliche Bemühen mit diesem Planentwurf Nr. 8139 eine Reduzierung der Bebaubarkeit des Areals des ehemaligen Otto Wagner-Spitals Steinhof vorzusehen, sehr begrüßt (vgl. auch Erläuterungsbericht S. 11). Nichtsdestotrotz weist der aktuelle Planentwurf weiterhin wesentliche Schwächen auf, die einer nachhaltigen Erhaltung des historischen Bestandes zuwiderlaufen, insbesondere im Bereich des Ostareals. Einerseits fielen dort einige Wirtschaftsbauten dem Abriss zum Opfer, andererseits kristallisierte sich immer mehr die besondere baukulturelle Bedeutung gerade des Ostareals heraus.

Forschung und baukulturelle Bedeutung, insbesondere Ostareal Am Steinhof

Neben der jahrzehntelangen Forschung der Kunsthistorikerin Dr. Mara Reissberger zur Anlage Am Steinhof (“‘Die weiße Stadt‘ – der ‚Steinhof‘ in Wien – Architektur als Reflex der Einstellung zur Geisteskrankheit“, gemeinsam mit Peter Haiko und Harald Leupold-Löwenthal, 1981), hat sich insbesondere in den letzten zehn Jahren die Technische Universität Wien der Thematik intensiv angenommen. Ausdruck dessen ist das Buch „Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der ehemaligen Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof in Wien.“ (Hrsg. Caroline Jäger-Klein und Sabine Plakolm-Forsthuber, Basel 2015; im Folgenden „DSA“ abgekürzt). Weiters wird insbesondere auf die von Univ. Prof. Dr. Sabine Plakolm-Forsthuber erstellte „Stellungnahme zur architektur- und kunsthistorischen Bedeutung des sog. Wirtschaftsareals im Otto Wagner Spital am Steinhof“ vom 27. August 2012 hingewiesen, die die besondere baukulturelle Bedeutung des Wirtschaftsareals im Osten der Anlage schlüssig nachweist. („Keinesfalls kann hier von einer, wie das BDA [Bundesdenkmalamt] schreibt: ‚nicht baukünstlerischen, sondern rein zweckmäßigen Überlegung‘ gesprochen werden, im Gegenteil, es sind exemplarische Bauten, wo Funktion und Form einander kongenial ergänzen und deshalb auch prominente ‚Zeitzeugen‘ der Wiener Moderne. (…) Da es sich hier um ‚Sonderbauten‘ handelte – im Unterschied z.B. zu den Pavillons, von denen, je nach Belag zwei bis vier nahezu idente Bauten errichtet wurden – waren in diesem Bereich die Planungen besonders genau und aufwendig. (…) Die Bezeichnung des gesamten Ostareals als ‚Wirtschaftshof‘ ist daher irreführend und dient m. E. lediglich dazu, den architektonischen Wert dieser Bauten herabzusetzen. Zusammenfassende Bemerkungen: (…) die Einzelgebäude wie Gebäudegruppen im Ostbereich der Anstalt unabdingbar mit der Gesamtanlage verbunden sind und ein Ensemble von außergewöhnlichem baukünstlerischen Wert darstellt.“

Umso bedauerlicher ist es, dass im Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung gerade der Experte auf dem Gebiet des Denkmalwesens (Hofrat Univ.-Doz. Dr. Friedrich Dahm) sich für diesen Tagesordnungspunkt in der Fachbeiratssitzung vom 10. Februar 2016 als befangen erklärte (vermutlich wegen seiner gleichzeitigen Funktion als Abteilungsleiter im Bundesdenkmalamt). In der Fachbeiratssitzung vom 5. Dezember 2019 wurde seitens dieses Fachexpertens auf dem Gebiet des Denkmalwesens weder eine Aussagen in Bezug auf Denkmalschutz und Schutzzone getätigt, noch eine Befangenheit erklärt (wegen Abwesenheit?). Man möge daher allgemein die Besetzung des Experten auf dem Gebiet des Denkmalwesens überdenken. Unsere Meinung nach ist es klar von Nachteil, wenn hier eine Person vom Bürgermeister der Stadt Wien in den Fachbeirat bestellt wird (gemäß Bauordnung für Wien § 3), die gleichzeitig offizieller Vertreter des Bundesdenkmalamtes ist, wenn dies zur Folge hat, dass sich diese Person dann genötigt sieht, sich für befangen zu erklären.

Die Stellungnahme im Detail:

Das Ostareal („Wirtschaftsareal“)

Lageplan und Ausführungen zu den einzelnen Baulichkeiten im Ostareal, dem so genannten „Wirtschaftsareal“, finden sich in DSA ab Seite 328.

Ganz im Nordosten des Areals befinden sich die historischen Gewächshäuser und das Gärtnerwohnhaus. Der im Planentwurf vorgesehene Bebauungsplan nimmt keine Rücksicht auf diese Baulichkeiten (40% Baulandwidmung und somit keine Baufluchtlinien dem Bestand angeglichen; vgl. auch Erläuterungsbericht (in Folge kurz EB), Seite 13: „Standort Gärtnerei und Equotherapie), sodass diese auch hinkünftig im Bestand sehr gefährdet sind. (Über historische Nutzung, Baugeschichte und Bestand siehe „DSA“ Seite 351-354; „Gärtnerei mit Glashäusern“ auch im Dehio-Handbuch – Hrsg. Bundesdenkmalamt – auf Seite 295 kurz beschrieben). Es wird daher dringend empfohlen, die Baufluchtlinien dem Bestand anzugleichen und eine Schutzzone für diese historischen Baulichkeiten auszuweisen.

Fleischerei (Ostareal): Im Erläuterungsbericht auf Seite 13 heißt es: „Westlich des Heizwerkes soll das Objekt der ehemaligen Fleischerei, das sich nach dem Ergebnis des Entwicklungsplanungs­verfahrens in restauriertem Zustand für Kinder- und Jugendeinrichtungen oder ähnliches eignen würde, innerhalb der Bauklasse I berücksichtigt werden.“ Für dieses kleine L-förmige Fleischerei­gebäude sind zwar erfreulicher Weise die Baufluchtlinien dem Bestand angepasst (was ausdrücklich begrüßt wird), doch ist die vorgesehene Bauklasse I ohne Beschränkung (also 9 Meter) zu hoch, insbesondere für den nördlichen, eingeschoßigen Trakt. Es wird daher empfohlen eine dem Bestand angepasste Bauklassenbeschränkung aufzuerlegen. Weiters wäre eine Schutzzone auszuweisen. Auf Grund des derzeit schlechten Bauzustandes ist zu befürchten, dass diese hier im Erläuterungsbericht gewählte Formulierung des Konjunktivs „… eignen würde“, rein der Beruhigung der Öffentlichkeit dienen soll und das Gebäude selbst längst für den Abriss vorgesehen ist, zumal sich das Gebäude aktuell in einem augenscheinlich sehr schlechten Bauzustand befindet. Das Gebäude wurde bereits 1994 im Zuge eines damaligen Abbruchansuchens vom Bundesdenkmalamt aus dem Denkmalschutz entlassen (BDA-Schreiben GZ: 945/31/2012), doch steht mittlerweile die baukulturelle Bedeutung dieses Einzelgebäudes im Wirtschaftsareal spätestens seit der Forschung durch Sabine Plakolm-Forsthuber und Caroline Jäger-Klein außer Frage. Plakolm-Forsthuber (2012) zum Sichtziegelgebäude der Fleischerei: „Es ist dies das letzte Bauwerk, das einen unmittelbaren Hinweis auf die in der Anstalt angestrebte Eigenversorgung gibt (Abstechraum und Selchkammer).“ (vgl. auch DSA, S. 347)

Ehemalige Militärbaracke (Pavillon 35): Der U-förmige Gebäudekomplex – direkt nördlich des in einem schlechten Bauzustand befindlichen Pavillon 8 gelegen – wurde im Zuge des 1. Weltkriegs für traumatisierte Soldaten 1916 errichtet (DSA, S. 298). Von den ursprünglich vier errichteten Baracken – Pavillon Nr. 35 bis Nr. 38 – hat sich nur noch Pavillon 35 bis heute erhalten. Die im aktuellen Planentwurf vorgesehenen Baufluchtlinien entsprechen in keiner Weise dem Bestand. Es wird daher empfohlen, die Baufluchtlinien gegen Westen, Süden und Osten exakt dem Bestandsgebäude von 1916 anzupassen. Auch die Höhenwidmung („BB9“ = 9 Meter) entspricht nicht dem Bestand und möge daher bestandsgenau gewidmet werden (Vgl. Erläuterungsbericht S. 14 und Antragsentwurf S. 4).

Die zentralen Pavillons der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof

Links und rechts der Hauptachse „Verwaltungsgebäude, Jugendstiltheater, Küche und berühmter Otto Wagner Kirche“ sind die einzelnen Heil- und Pflege-Pavillons situiert (DSA S. 260 ff.). Die westlichen weisen ungerade Nummern auf (Nr. 1 bis 21), die östlichen gerade Nummern (2- 24). Eine Ausnahme bildet der Pavillon 23, der sich im Nordosten der Anlage befindet. Hier werden gemäß Erläuterungsbericht (S. 11 f.) „die Front- und Seitenbereiche der Gebäude dem Bestand entsprechend festgesetzt“. An den „Rückseiten der Pavillons“ [nördlich] werden „geringfügige bebaubare Ergänzungsflächen“ vorgeschlagen. Unser Verein Initiative Denkmalschutz sieht diesen Spielraum sehr kritisch. Hier müssten noch deutliche Reduzierungen dieses Spielraums im Bebauungsplan erfolgen, ansonsten würde die nördliche charakteristische gestaffelte Fassadenerscheinung der einzelnen Pavillons weitgehend verloren gehen. Auch sind die geplanten Höhenwidmungen viel zu undifferenziert (Bauklasse III = 16 m), zumal sich die Höhenmaße der Bauteile deutlich unterscheiden. Hier wird empfohlen die gewidmete Höhe im Bebauungsplan dem Bestand deutlich stärker anzupassen.

Sinngemäß wird dies auch im westlichen Teil des ehemaligen Sanatoriums empfohlen (DSA, S. 306 ff.).

Abschließend wird nachdrücklich vorgeschlagen für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Markus Landerer und Claus Süss
im Namen der Initiative Denkmalschutz

Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
Fuchsthallergasse 11/5
1090 Wien / Vienna
Österreich / Austria
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: +43 (0)699 1024 4216
email:
(ZVR-Nr.: 049832110)

Literatur:

– Caroline Jäger-Klein und Sabine Plakolm-Forsthuber (Hrsg.), „Die Stadt außerhalb. Zur Architektur der ehemaligen Niederösterreichischen Landes-Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof in Wien.“, Basel 2015

– Sabine Plakolm-Forsthuber, „Stellungnahme zur architektur- und kunsthistorischen Bedeutung des sog. Wirtschaftsareals im Otto Wagner Spital am Steinhof“, 27. August 2012

– Schreiben des Bundesdenkmalamtes (BDA) an Gerhard Hadinger, den Sprecher der Bürgerinitiative „Steinhof erhalten“, 16. Juli 2012 (GZ: 945/31/2012)

– Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/3, Wien 19.-23. Bezirk,

St. Pölten – Salzburg 2010, Seite 88

– Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien X. bis XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk

(Hrsg. Bundesdenkmalamt), Wien 1996, Seite 291 bis 296

Wien: Stellungnahme Bauordnungsnovelle

Wien, 18. Mai 2020

Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Bauordnung für Wien geändert wird

Die Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Allgemein

die Initiative Denkmalschutz fordert Transparenz und Informationszugang für alle Bürger sowie Parteistellung für NGOs in allen baurechtlichen Verfahren ein, die das öffentliche Interesse im Sinne der Stadtbilderhaltung und des Kulturgüterschutzes betreffen. Weiters eine bürgerfreundlichere und extensivere Handhabung bzw. allfällige Novellierung des Wiener Auskunftspflichtgesetzes in dieser Hinsicht. Im Zweifel sind die Bestimmungen dieses Gesetzes zu Gunsten des um Auskunft Ersuchenden anzuwenden. (vgl. Petition der Initiative Denkmalschutz: „Wirkungsvoller Schutz für historische Bauten und das Ortsbild in Schutzzonen“, Punkt 2; eingebracht am 21. August 2013).

ad Ziel der aktuellen Bauordnungsnovelle, u. a. „Schaffung der Rechtsgrundlage für die elektronische Abwicklung von Bauverfahren“:

Grundsätzlich wird die Digitalisierung und die elektronische Abwicklung begrüßt. Hier sollten jedoch im Sinne der Bürgernähe weiter reichende Änderungen vorgenommen werden. So möge auch die öffentliche Auflage „Änderung der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne“ online eine Rechtsverbindlichkeit erhalten (Begründung: Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass wichtige Beilagen (z.B. Unterlagen zur Umweltprüfung) erst verspätet online veröffentlicht wurden). Ebenso möge das Amtsblatt endlich online veröffentlicht werden (wie in vielen anderen Gemeinden, Beispiel: „Elektronisches Amtsblatt der Landeshauptstadt Salzburg“).

ad § 2 Abs. 5: Abänderung der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne

Unser Verein Initiative Denkmalschutz – der bekanntermaßen in den letzten 12 Jahren Dutzende Stellungnahmen abgegeben hat – fordert, die Frist für die Abgabe der Stellungnahmen der Bürgerinnen, Bürger und NGOs sowie der jeweiligen örtlichen Bezirksvertretung zu Änderungen der Flächenwidmungs- und Bebauungspläne aufeinander zeitlich abzustimmen. D.h. es wäre zu garantieren, dass die örtliche Bezirksvertretung erst nach Ende der öffentlichen Auflagefrist ihre Stellungnahme beschließt. Dabei wäre zusätzlich darauf zu achten, dass alle im Rahmen der öffentlichen Auflagefrist abgegebenen Stellungnahmen auch den jeweiligen Bauausschussmitgliedern der Bezirke – vor ihrer abschließenden ‘Vorberatung zur Abgabe der Bezirksstellungnahme’ in ihrer Bauausschusssitzung – zur Kenntnis gebracht werden, um diese ggf. inhaltlich in die Bezirksstellungnahme einfließen lassen zu können. Die Änderung der Bauordnung vom Dezember 2018 (LGBl. Nr. 69/2018 ) hat – mit einer Verkürzung der Frist für die örtlichen Bezirksvertretungen von 3 auf 2 Monate – diese Problematik noch verschärft. Auch die qualitative Unterscheidung zwischen “wesentlichen” und “unwesentlichen” Abänderungen von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen – wie damals beschlossen – möge aus oben genannten Gründen ebenso rückgängig gemacht werden. Denn diese Unterscheidung öffnet einer gewissen Willkür, was als “wesentlich” und “unwesentlich” zu gelten hat, Tür und Tor (so könnten auch heikle Gebiete in mehrere kleine “unwesentliche” Änderungen aufgesplittet werden), sondern auch die Rechte der Bürger noch mehr reduzieren (Fristverkürzung für die Bürgerinnen und Bürger auf vier Wochen, Verkürzung der Frist für die Bezirke auf einen Monat; keine Möglichkeit mehr des Studiums der Stellungnahme des Fachbeirates für Stadtplanung und Stadtgestaltung, weil nicht mehr vorgesehen).

Begründung: Die in die Bezirksvertretung gewählten Mandatare sollen die politischen Interessen der Bevölkerung im Bezirk nach bestem Wissen und Gewissen vertreten. Sie sind mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut und können die Stellungnahmen der Bürger und NGOs besonders gut beurteilen. Daher wäre es zielführender, wenn die Bezirksvertreter diese Stellungnahmen in ihren eigenen Stellungnahmen berücksichtigen könnten. Dies ist aber nur dann gewährleistet, wenn die öffentliche Auflagefrist abgewartet wird. Die Stellungnahme der Bezirksvertretung bildet eine sehr wichtige Grundlage für den Gemeinderatsbeschluss und hat wesentlichen Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Gemeinderäte. Stellungnahmen der Bürger haben, wenn sie in die Bezirksstellungnahme einfließen, viel größere Aussichten, im Gemeinderatsbeschluss indirekt berücksichtigt zu werden. Dies wäre ein erster Schritt, die Beteiligung der Öffentlichkeit in Wien ernster zu nehmen, zumal sich die Stadt Wien 1996 mit dem Beitritt zur Charta von Aalborg sogar verpflichtet(!) hat, die Bürger „an den lokalen Entscheidungsprozessen“ zu beteiligen. Die zum Teil vorherrschende Praxis in den Bezirken, vor Ende der öffentlichen Auflagefrist Stellungnahmen der Bezirksvertretung abschließend zu beraten und zu beschließen, stößt hingegen viele Bürger vor den Kopf. Wenn nicht einmal die Bezirkspolitiker Interesse an der Meinung der Bürgerinnen und Bürger haben, warum sollte dann der Gemeinderat größeres Interesse an einzelnen Stellungnahmen zeigen?

ad § 3: Fachbeirat

Neben der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Ergänzung des Fachbeirats um eine Expertenperson auf dem Gebiet des Klimaschutzes und Energiewesens, wäre es auch Sicht der Initiative Denkmalschutz unbedingt notwendig, dass auch entsprechende Ersatzmitglieder der einzelnen Fachbereiche bestellt werden.

Begründung: Es kommt immer wieder vor, dass sich einzelne Fachexperten für Befangen erklären, sodass das entsprechende Fachgebiet in der Fachbeiratsstellungnahme keinerlei Berücksichtigung finden kann. So geschehen schon mehrfach beim Experten auf dem Gebiet des Denkmalwesens (Beispiel: Planentwurf Nr. 8139, 1. Fachbeiratsstellungnahme aus 2016; denkmalgeschütztes, ehemaliges Otto Wagner Spital Areal am Steinhof im 14. Bezirk; Plandokument Nr. 8048 aus 2017, denkmalgeschütztes Spital beim Elisabethinenkloster an der Landstraßer Hauptstraße 4a im 3. Bezirk), aber auch auf dem Gebiet der Raumplanung (Beispiel: Plandokument 8177 aus 2016, Laxenburger Straße 244-256 im 23. Bezirk).

ad § 60 Abs. 1 lit. d: Abbruch von Bauwerken

Notwendige Adaptierung/Verbesserung im Hinblick auf den Stadtbildschutz bzgl. Begründungen für Abbruchbewilligungen von Bauwerken trotz Feststellung der Erhaltungswürdigkeit durch die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung). Derzeitige Formulierung: Für Bauwerke in Schutzzonen und Gebäude (…) darf die Abbruchbewilligung nur erteilt werden, wenn (…) sein Bauzustand derart schlecht ist, dass eine Instandsetzung technisch unmöglich ist oder nur durch wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen bewirkt werden kann.“ Insbesondere wie die Kriterien der „wirtschaftlich unzumutbare Aufwendungen“ definiert werden, liegen in der Bauordnung im Dunkeln. Beispiel: In der Stadt Salzburg konnte bisher in einem Wirtschaftlichkeitsgutachten der Vergleich der Nutzfläche des Altbaus zum Neubau hinzugerechnet werden, sodass eine in seiner Nutzfläche deutlich vergrößerte Neubauplanung sehr rasch zu einer „Unwirtschaftlichkeit“ gegenüber der Erhaltung des Altbaus führte. In Hinkunft sollen die Kriterien in Salzburg dahingehend geändert werden, dass nur mehr die gleiche Nutzfläche von Alt- und Neubau verglichen werden darf, so das Vorhaben der Salzburger Vizebürgermeisterin Barbara Unterkofler (in: Salzburger Nachrichten vom 8. Mai 2020, Beilage Lokalausgabe: „Erhaltungsgebot wird durch Weisung gestärkt. Strengere Richtlinien sollen weitere Abrisse der Häuser in der Stadt Salzburg verhindern“).

Begründung: Allzu oft werden Bewilligungen für erhaltenswürdige, historisch bedeutende Gebäude erteilt, obwohl die zuständige MA 19 die Erhaltungswürdigkeit festgestellt hat (z.B. unlängst die Bewilligung zum Abbruch des historischen Klinikgebäudes der ehemaligen 1. Medizinischen Klinik in der Lazarettgasse 14 bzw. am Lazarettgassenweg im 9. Bezirk). Hier müsste – wie schon von unserem Verein in der Petition „Wirkungsvoller Schutz für historische Bauten und das Ortsbild in Schutzzonen“ (eingebracht am 21. August 2013; Punkt 3: „Vorrang bei Feststellung ‚öffentliches Interesse‘ durch die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) vor der Entscheidung der Magistratsabteilung 37 (Baupolizei) auf Erteilung einer Abbruchbewilligung“) „Vorrang bei Feststellung „öffentliches Interesse“ durch die Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung) vor der Entscheidung der Magistratsabteilung 37 (Baupolizei) auf Erteilung der Abbruchbewilligung gegeben werden, insbesondere unter dem Aspekt des § 129 Abs. 2 Bauordnung für Wien. Darin wird festgehalten, dass der Eigentümer ohnedies dafür zu sorgen hat, „dass die Bauwerke (…) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden (…)“. Wie kann es also sein, dass allzu oft erhaltenswerte Altbauten trotz Feststellung der Erhaltungswürdigkeit abgerissen werden? Gibt es keine wirkungsvollen Konsequenzen bzw. werden diese seitens der Baupolizei unterlassen, sodass der „Bauzustand“ der Gebäude „derart schlecht“ werden können?

Weiters wird angeregt, dass der Stichtag 1.1.1945 bzgl. Prüfung Erhaltungswürdigkeit („Bestätigung des Magistrats“; MA 19) auch auf Bauten der Nachkriegszeit und der Moderne ausgedehnt werden.

ad § 70a: Vereinfachtes Baubewilligungsverfahren

die Einreichungen der Bauvorhaben mögen im Amtsblatt veröffentlicht werden, damit die Anrainer ihre Rechte wahrnehmen können, was bei einem vereinfachten Verfahren wie beim § 70 a besonders wichtig wäre.

ad 135: Strafen

die Verschärfung von Strafen und darüber hinausgehende Sanktionen bei Bauordnungswidrigkeiten im Sinne einer tatsächlich abschreckenden Wirkung (wie die Wiederherstellung eines zerstörten Hauses), statt Geldstrafen in der Höhe von „Beträgen aus der Portokasse“. Informationsfreiheit für Bürger, die wirksam gewordenen Sanktionen zu erfahren (Beispiel: Illegaler Abbruch in Neustift am Walde 58 im Jahr 2007. Auskunft dazu wurde unserem Verein verwehrt. Vgl. auch OTS „Baupolizei stellt illegale Abbrucharbeiten in Schutzzone ein!“ vom 17. April 2007: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20070417_OTS0220). Insbesondere im Hinblick auf das absichtliche Verfallen lassen wäre eine Verschärfung im Sinne des Stadtbildschutzes von besonders großer Bedeutung. (vgl. auch Petition „Wirkungsvoller Schutz für historische Bauten und das Ortsbild in Schutzzonen“, Punkt 5 (eingebracht am 21. August 2013).

Markus Landerer und Claus Süss
im Namen des Vorstandes

Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
www.initiative-denkmalschutz.at
Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien, Österreich
email:
(ZVR-Nr.: 049832110)