Bevorstehendes Ende der ehem. Theresienmühle in Marienthal

Das Ensemble Arbeitersiedlung, das “herausragende sozial- und architekturgeschichtliche Bedeutung” besitzt (Zitat Dehio), soll eines seiner wichtigsten Bauwerke verlieren.

Es gilt, sich in Bälde von einem bedeutsamen Industriedenkmal zu verabschieden: der ehemaligen Theresienmühle in Gramatneusiedl-Marienthal.

Der Abbruch des großen, über die Jahre völlig heruntergekommenen Baukomplexes steht unmittelbar bevor. Wie auch eine Tafel vor dem Gebäude ankündigt, sollen hier durch die Siedlungsgenossenschaft Neunkirchen in Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde Gramatneusiedl neue Wohnbauten errichtet werden, Baubeginn ist lt. Homepage im Juni! (www.sgn.at).

Das betreffende Mühlengebäude gehört zum Ensemble der Arbeitersiedlung Marienthal, die in erster Linie durch die berühmte soziologische Studie “Die Arbeitslosen von Marienthal” von Marie Jahoda, Paul Lazarsfeld und Hans Zeisel aus dem Jahr 1933 von Bedeutung ist (vgl. Wikipedia Eintrag). Gerade eben erschien zum 75-Jahr-Jubiläum der Studie eine umfassende Darstellung von Reinhard Müller, die alle Aspekte dieser Studie beleuchtet (Reinhard Müller: Marienthal. Das Dorf – Die Arbeitslosen – Die Studie. Studienverlag Innsbruck 2008), siehe Website über Marienthal.

Ebenso bedeutend ist Marienthal in architektonischer Hinsicht als – lt. Dehio – “bemerkenswerte, weitgehend in der biedermeierlichen Baustruktur erhaltene, frühe Arbeitersiedlung.”.

Während die langgestreckten Koloniehäuser an der Hauptstraße mit ihren charakteristischen Pawlatschen an der Rückseite einen gepflegten Eindruck machen, war das betreffende ehem. Mühlengebäude unserer Zeit keine Sanierung wert. Die ursprüngliche Mühle aus dem 17. Jahrhundert wurde später zur Flachsspinnerei Wurm & Pausinger und 1846 zum Arbeiterwohnhaus umgebaut. Als solches präsentiert es sich bis heute als herrschaftlich wirkende, dreigeschossige Anlage, die eine Art Ehrenhof bildet, wobei der Mitteltrakt durch einen Dreiecksgiebel betont wird. An der Straße schließt ein kleiner zweigeschossiger Kiosk (ehem. Konsum) mit einem interessanten Holzkastenportal die Anlage ab. Dieser soll dem Vernehmen nach zwar abgerissen, aber später nach alten Plänen wiedererrichtet (rekonstruiert) werden. Ebenso soll ein sehr kleiner Teil des rechten Seitentraktes erhalten bleiben (4 Wohneinheiten).

Zum Zeitpunkt der Berichtverfassung konnte noch nicht geklärt werden, ob das Gebäude unter Denkmalschutz steht oder jemals stand. Wir werden darüber berichten.

PS: Aktuell gefährdet scheint auch die alte Kibitzmühle, erbaut um 1800 und nach Brand 1858 wiederaufgebaut und 1920 grundlegend renoviert, ebenfalls in Gramatneusiedl gelegen. (im Dehio nicht erwähnt). Sie liegt am Kibitzbach am Ende der Kaiseraugasse im Zwickel der Bahngeleise (Kibitzmühle 1).
Foto © Reinhard Müller, Website über Marienthal

Literatur: Dehio Niederösterreich – Südlich der Donau (Hrsg. Bundesdenkmalamt), Teil 1 (A–M), 2003, S. 585ff.; Gerhard A. Stadler: Das industrielle Erbe Niederösterreichs. Wien (u.a.) 2006, S. 245

Sehen Sie dazu auch den Youtube Beitrag “Einstürzende Altbauten” über Mariental und Teesdorf / Niederösterreich.