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Initiative Denkmalschutz zu Heumarkt-Gefeilsche ums Weltkulturerbe: Ein unmoralisches Angebot der Stadt Wien an die UNESCO!

Initiative Denkmalschutz zu Heumarkt-Gefeilsche ums Weltkulturerbe: Ein unmoralisches Angebot der Stadt Wien an die UNESCO!

Neuer Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler ist jetzt verpflichtet Recht im Sinne des Regierungsprogrammes umzusetzen

Wien (OTS) – Ein echtes Danaergeschenk: Wenn ICOMOS und UNESCO jetzt nachgeben, haben sie gänzlich ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Der vom Heumarkt-Koordinator Ernst Woller (SPÖ) am 20.12. im Gemeinderat überraschend vorgestellte “Kompromiss”, um den gefährdeten Welterbe-Titel doch noch zu retten, lautet vereinfacht zusammengefasst so: Entweder stimmt die UNESCO einer Höherentwicklung der Heumarkt Hotelscheibe zu (was die UNESCO seit 2012/13 ausschließt, vgl.: http://www.idms.at/unesco/unesco-heumarkt.pdf), oder die Stadt Wien bewilligt das bereits gewidmete, noch größere Hochhausprojekt mit 66,3 Meter. Die Stadt hat mit dem Beschluss des Flächenwidmungsplanes 2017, im Wissen, dass dieser gegen die UNESCO Welterbe-Richtlinien verstößt, nicht nur einen eklatanten Rechtsbruch begangen, sondern sich dem Investor gänzlich ausgeliefert.

Stadt Wien muss UNESCO-Vorgaben ohne Wenn und Aber umsetzen!

Liegt es daran, dass Investor Tojner vielleicht 2014 die Wahrheit gesprochen und damals zum möglichen Verlust des Weltkulturerbe-Status gemeint hat: “Die UNESCO wird sich aufregen, ja. Aber die Stadt Wien hat das Commitment gegeben, das umzusetzen” (Wirtschaftsblatt, 4.6.2014). Tojner scheint nun den Widmungsgewinn ins Trockene gebracht zu haben, wenn Woller erklärt, dass Tojner nach der Bauverhandlung am 18.12. jetzt “Rechts­sicherheit hat, dass er innerhalb der nächsten vier Jahre dieses Projekt realisieren kann oder könnte. Und mit diesem Ergebnis in der Tasche ist der Projektentwickler Michael Tojner bereit ein alternatives Projekt auszuarbeiten gemeinsam mit der Stadt Wien, gemeinsam mit der UNESCO und ICOMOS”. Die Initiative Denkmalschutz fordert die Stadt Wien auf, die UNESCO-Vorgabe “nicht höher als Bestand” umzusetzen, zumal sie bereits 2006 den Ausschluss von Hochhäusern im Welterbe akzeptierte.

Kulturminister Werner Kogler ist jetzt verpflichtet zu handeln!

“Verbindlichmachung ausgewiesener Objekte und Regionen des UNESCO-Weltkulturerbes im österreichischen Rechtskanon” (S.47), “Klares Bekenntnis zum und Einsatz für das österreichische UNESCO-Weltkulturerbe” (S.183)”, heißt es im Regierungsprogramm. Dieser schaurigen Schmierenkomödie müsste nun die Bundesregierung endlich ein Ende setzen und einschreiten, denn sie hat nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Verpflichtung(!) zu handeln, um das UNESCO‐Welterbe „Historisches Zentrum von Wien” vor Verunstaltung und Verlust des Prädikates zu retten. Der als UNESCO-Vertragspartner zuständige Kulturminister Werner Kogler muss(!) jetzt gemeinsam mit Staatssekretärin Ulrike Lunacek die erforderlichen Maßnahmen treffen (gemäß Bundesverfassungs-Gesetz Art. 16 Abs. 4).

Rückfragen & Kontakt:

Markus Landerer 0699/1024 4216 und Claus Süss 0676/740 43 27
Initiative Denkmalschutz, www.initiative-denkmalschutz.at

APA-OTS-Presseaussendung im Original: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200109_OTS0013

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Initiative Denkmalschutz: Kulturgutverlust in Horner Tuchmachersiedlung. Abriss in der wahrscheinlich ältesten Arbeitersiedlung Österreichs

Raabser Straße 3, Horn, Niederösterreich

Kleinhaus in der Tuchmachersiedlung Horn, Raabser Straße 3, Foto Sept. 2018

Dieses Wochenende wurde mit dem Abriss eines der originärsten Gebäude in der „ältesten Tuchmachersiedlung Niederösterreichs“ begonnen [Anm. 1]. Nach Bau der Tuchmanufaktur 1647 ließ der Herrschaftsbesitzer Ferdinand Sigmund Graf Kurz 1652 bis 1658 im Norden der mittelalterlichen Horner Altstadt für die Tuchmacherfamilien dreißig Kleinhäuser samt Wallfahrtskapelle in der Raabser Straße errichten. Es sind eingeschoßige giebelständige Kleinhäuser mit Satteldach, die durch ein Portal mit dem Nachbarhaus verbunden sind. Die meisten Häuser, teils umgebaut und verändert, gehen auch heute noch im Kern auf diese Kurz‘sche Gründung zurück. Nun wurde gerade eines der weitgehend original erhaltenen Gebäude begonnen abzureißen, das Haus Raabser Straße 3. Denn keines dieser Häuser steht unter Denkmalschutz, nur die Kapelle ist geschützt.

Initiative Denkmalschutz: Wertvolles Dokument aus Frühzeit der Industriealisierung verloren

Oliver Fries bezeichnet die Tuchmachersiedlung als „wahrscheinlich erste Industriesiedlung Österreichs“. Sie ist damit sogar um 100 Jahre älter als die Industriegeschichtlich hochbedeutende niederösterreichische Arbeitersiedlung Nadelburg in Lichtenwörth (1747-1756), die laut Wehdorn/Georgeacopol-Winischhofer „zweifellos zu den ältesten, noch weitgehend einheitlich erhaltenen Anlagen dieser Art in Europa“ zählt. [Anm. 2]

Stadt Horn und Bundesdenkmalamt sind gefordert

Nachdem bereits 2017 das gut erhaltene Haus Raabser Straße 25 abgerissen wurde [Anm. 3], ist nicht nur das Bundesdenkmalamt gefordert jetzt rasch dieses besonders alte und seltene Industriezeugnis unter Denkmalschutz zu stellen, sondern auch die Stadt Horn muss handeln und hat dabei die wahrscheinlich noch größere kulturelle Verantwortung zu tragen. Denn die Stadt ist gemäß Niederösterreichischem Raumordnungsgesetz 2014 auch für denjenigen „historisch erhaltungswürdigen Baubestand“ verantwortlich (vgl. § 30 Abs. 2 Z. 1 sowie § 31 Abs. 8 NÖ ROG 2014), den das Bundesdenkmalamt gemäß strengen Vorgaben im Denkmalschutzgesetz vielleicht nicht unter Denkmalschutz stellen kann (aus diesen Gründen hat beispielsweise die Stadt Wien bereits seit 1972 Schutzzonen gewidmet). Die Stadt Horn kann also gemäß NÖ ROG eigene Schutzzonenwidmungen verordnen, die einen Abbruch untersagen können, gleichzeitig wären aber auch maßgeschneiderte und möglichst bestandsgenaue Bebauungspläne notwendig. Gerade in den letzten Jahren haben nicht wenige niederösterreichische Gemeinden erkannt, dass sie selbst im Sinne des Ortsbildschutzes aktiv werden müssen und haben eigene Schutzzonenverordnungen erlassen (z.B. Baden bei Wien, Klosterneuburg) oder bereiten solche vor (St. Pölten).

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Markus Landerer und Claus Süss
Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
mobil: 0699 / 1024 4216 oder 0676 / 740 43 27

[1] Zitat Stadler, Seite 369
[2] Zitat, Wehdorn/Georgeacopol-Winischhofer, Seite 188
[3] Oliver Fries, Seite 142

FOTOS: Oliver Fries, 1.12.2019 sowie 29.09.2018

HISTORISCHE ANSICHT der Tuchmachersiedlung siehe: https://www.meinbezirk.at/horn/c-lokales/die-horner-tuchmachersiedlung_a3445683#gallery=default&pid=19603626

FOTO Wallfahrtskapelle (Altöttinger Kapelle, unter Denkmalschutz), siehe:
http://www.sagen.at/fotos/showphoto.php/photo/57458/size/big/cat/ (vgl. Denkmalliste Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Horn_(Nieder%C3%B6sterreich)).

Quellen:

– Gerhard Stadler, Das industrielle Erbe Niederösterreichs. Geschichte- Technik – Architektur. Wien – Köln – Weimar 2006, Seite 369f.

– Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Band: Niederösterreich nördlich der Donau, Wien, 1990, Seite 461

– Oliver Fries, Die Tuchmachersiedlung in Horn (Niederösterreich) – Wohnen und Verlagsarbeit in der Öttinger Vorstadt, in: Jahrbuch für Hausforschung, Band 69: Die neuen Häuser in den neuen Städten und Dörfern. Neuerungen im Hausbau unter dem Einfluss der Landesherren und ihrer Baumeister zwischen 1650 und 1830 (Bericht über die Tagung des Arbeitskreises für Hausforschung e. V. in Schwerin vom 3. bis 7. Oktober 2018), Arbeitskreis für Hausforschung e. V., Petersberg 2019, Seite 139-146

– Manfred Wehdorn, Ute Georgeacopol-Winischhofer, Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich, Band 1: Wien, Niederösterreich, Burgenland, Wien – Köln- Weimar 1984, S. 188f. (Nadelburg in Lichtenwörth)


St. Pölten (NÖ): Abriss Arbeiterwohnhaus – schwerer Verlust für Stadtbild

Presseaussendung, 4. Oktober 2019

Initiative Denkmalschutz: Abriss des Arbeiterwohnhauses in St. Pölten – Schwerer Verlust für historisches Stadtbild.

In wenigen Tagen ist die „Eierspeisburg“ am Kardinal Franz König-Platz endgültig Geschichte.

Vom 1907 von der Stadt St. Pölten erbauten, großen, späthistoristischen, markant am Kardinal Franz König-Platz gelegenen Eckwohnhaus mit Arbeiterwohnungen wird dieser Tage die Stadtbild prägende Straßenfassade abgerissen (Neugebäudeplatz 5, Ecke Rennbahnstraße 18). Erstaunlich, welches für das St. Pöltner Stadtbild so wichtige historische Gebäude (mit seinen Risaliten, überhöhten Dreiecksgiebeln, attikaartigen Aufbauten sowie zahlreichen kleinen Ecktürmchen) nun endgültig verschwindet. In Wien wäre dieses Objekt – egal ob in einer Schutzzone gelegen oder nicht – mit Sicherheit als Erhaltenswert eingestuft worden und hätte (grundsätzlich) erhalten werden müssen, nicht so in St. Pölten. Die Initiative Denkmalschutz unterstützt die überparteiliche Bürgerplattform Pro St. Pölten, die vor der „Eierspeisburg“ im September letzten Jahres für deren Erhaltung demonstriert hat [Foto], in ihren Bemühungen das St. Pöltner Kulturerbe zu bewahren (www.buergerplattformprostp.at).

Arbeiterwohnhaus am Kardinal König-Platz in St. Pölten vor dem Abbruch, Foto: August 2019, Fotograf: Markus Landerer, Initiative Denkmalschutz

Initiative Denkmalschutz: Großzügige Schutzzonenwidmungen in St. Pölten ein Gebot der Stunde

Nach dem bedauerlichen Verlust der 1885/86 im Neorenaissance-Stil erbauten Maderna-Villa 2010 in der Josefstraße 2 (während eines laufenden Unterschutzstellungsverfahrens durch das Bundesdenkmalamt(!) abgerissen), dem Abbruch des wertvollen, 1898 erbauten ehem. „Hotel Bahnhof“, einem neoklassizistischen Gründerzeithauses am Bahnhofplatz 14 im Jahr 2011 oder dem Abriss des im Kern auf das 17. Jh. zurückgehende, biedermeierlich fassadierten „Kohn-Hauses“ in der Linzer Straße 20 im letzten Jahr, ist es nun dringend an der Zeit, dass umfassende Schutzzonenverordnungen seitens der Stadt St. Pölten erlassen werden. Ansonsten kann die Stadt St. Pölten nur durch den Erwerb von Gebäuden diese kurzfristig vor dem Abbruch bewahren (wie seitens der Stadt St. Pölten 2018 beim „Rotkreuz“-Haus, der ehem. Villa Schatzl in der Julius-Raab-Promenade 16 dankenswerter Weise geschehen). Erfreulicherweise gibt es mittlerweile eine Bausperre für einen großen Teil der Innenstadt, um in Folge eine solche Schutzzone zu widmen, doch ebenso dringlich sind künftige Schutzzonen auch außerhalb des Stadtzentrums. So scheinen die beiden 1903 erbauten, erhaltenswerten historistischen Villen in der Maria Theresia-Straße 12 und der Dr. Theodor Körner-Straße 1 (Ecke Johann Gasser-Straße 18) auf Grund der Jahre langen Vernachlässigung ebenso vom Abbruch bedroht.

Arbeiterwohnhaus, Kardinal König-Platz, St. Pölten

Das markante Eckgebäude am Kardinal König-Platz in St. Pölten während des Abrisses, Foto: 18.9.2019, Fotograf: Stefan Lenk (Bürgerplattform Pro St. Pölten)

Initiative Denkmalschutz: Plädoyer an das Land Niederösterreich einen umfassenden Schutz historischer Gebäude in der NÖ Bauordnung zu verankern!

Niederösterreich ist reich an baukulturellem Erbe. Das Land möge daher seiner Verantwortung dafür auch gerecht werden. Das Land Wien hat letztes Jahr den Weg vorgezeigt, wie man ohne aufwändige Schutzzonenverordnungen, sein Stadt- und Ortsbild besser und nachhaltiger schützen kann. Im Frühsommer 2018 wurde eine neue Baurechtsnovelle beschlossen. Seitdem muss jedes Gebäude, welches vor 1945 errichtet wurde, von der Magistratsabteilung 19 (MA 19; Architektur und Stadtgestaltung) auf seine kulturhistorische Erhaltenswürdigkeit überprüft werden. Bei einer positiven Prüfung durch die MA 19 muss das Gebäude erhalten bleiben.*

Rückfragehinweis:

Markus Landerer und Claus Süss
Initiative Denkmalschutz – Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
mobil: 0699 / 1024 4216 oder 0676 / 740 43 27
www.initiative-denkmalschutz.at
(ZVR-Nr.: 049 832 110)

* Ausnahme: Nachweis eines sehr schlechten Bauzustands gemäß § 60 Abs. 1 lit. d Bauordnung für Wien (BOfW), wobei es gleichzeitig die gesetzliche Verpflichtung gibt, die Gebäude in einem guten baulichen Zustand zu erhalten (§ 129 Abs. 2 BOfW). Die Bauordnung für Wien im vollen Wortlaut: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=20000006

Literatur / Quellen:

Österreichische Kunsttopographie (ÖKT) Band LIV – Die Kunstdenkmäler der Stadt St. Pölten (Hrsg. Bundesdenkmalamt), Horn 1999 (https://bda.gv.at/publikationen/details/oesterreichische-kunsttopographie-band-liv-st-poelten)
– Arbeiterwohnhaus (Kardinal Franz König-Platz), Neugebäudeplatz 5, Seite 408f. (mit Abb.)
– Bahnhofplatz 14, Seite 284f. (mit Abb.)
– Dr.-Theodor-Körner-Straße 1, Seite 301 (mit Abb.)
– Josefstraße 2, Schulring 5 (Maderna-Villa), Seite 345 (mit Abb.)
– Julius Raab-Promenade 16, Ludwig Stöhr-Straße 7 (Villa Schatzl), Seite 355f. (mit Abb.)
– Linzerstraße 20, Julius Raab-Promenade 41 („Kohn-Haus“), Seite 179f.
– Maria Theresia-Straße 12, Seite 386