Verlorenes Erbe (Wien): Villa Pollak 1968 abgerissen, Breitenfurter Straße 267
In der sehenswerten TV-Serie „Verlorenes Erbe“ (von Rupert Reiter-Kluger) im ORF 2-Vorabendprogramm (“Studio 2”) wurde am 20. Oktober 2021 die Villa Pollak in der Breitenfurter Straße 267 (Ecke Gerbergasse 1) in Wien-Atzgersdorf (23. Bezirk Liesing) behandelt (ehem. Wienerstraße 117). Das 30.000 Quadratmeter große Areal hat Vergangenheit. Auf dem im September 2021 aufgelassenen Campingplatz Wien Süd (“Residenz im Schlosspark”) stand bis 1968 die Villa Pollak. Davor stand am weitläufigen Areal die alte Kreuzmühle, die erstmals 1452 erwähnt wurde. 1852 machte daraus Johann Fichtner eine Knochenmühle und Spodiumfabrik für die Seifenerzeugung (bis 1887 in Betrieb) und errichtete daneben ein Herrenhaus. Der böhmisch-jüdische Industrielle Gustav Pollak (* 1860, + 1933) kaufte das Areal 1888 und wandelte die Fabrik in eine Gerberei und Lederfabrik um und baute das neben der Fabriksanlage befindliche Herrenhaus zu einer prunkvollen Wohnvilla um. Das alte Mühlengebäude am Liesingbach wurde 1900 abgerissen. Nach Stilllegung der Fabrik 1926 übersiedelte das Ehepaar Gustav und Anna Pollak von ihrem Palais in der Prinz Eugen-Straße 60 in die Wohnvilla am ehemaligen Fabriksgelände in Atzgersdorf. Die beiden Anrainer Karl Hobiger und Silvia Jelinek erzählen im ORF-Interview über die Geschichte der Pollak-Villa. Die Inneneinrichtung stammte vom berühmten Jugendstilarchitekten Josef Hoffmann, dieser hatte schon sein seit 1916 im Besitz befindliche Wohnpalais Pollak (erbaut 1899-1901 als Palais Landau) in der Prinz Eugen-Straße 60 neben dem Belvedere eingerichtet (seit 1928 Rumänische Botschaft). Das 1909 nach Plänen von Friedrich Schön erbaute Warenhaus Gustav Pollak (Foto) befand sich am Kohlmarkt 2 in der Wiener Innenstadt. Nach dem Tod Gustav Pollak 1933 verkauften die Witwe und Kinder das Palais in der Prinz Eugen-Straße und das Herrenhaus in Atzgersdorf 1938. Unter welchem Druck der Verkauf stattfand, lässt sich nicht mehr eruieren. 1941 begehen Pollaks Witwe, sein Sohn und die Schwiegertochter im 3. Bezirk Selbstmord. Tochter Franziska wird Universalerbin und 1944 in Ausschwitz ermordet. Tochter Vera entkommt gerade noch nach Amerika und meldet sich als Pollak-Erbin in Wien, kann aber keine Rückgabe erreichen, sie stirbt 1990. Die Wiener Restitutionskommission hat den Fall vertragt. Der alte Brunnen hat sich erhalten und verfällt vor sich hin. Er ist alles, was vom einstigen Glanz der Villa übrig blieb, zusammen mit der alten Mauer und dem gußeisernen Zaun. Zaun und Mauer werden im Zuge der bevorstehenden Umwandlung in den Stadtpark Atzgersdorf nicht erhalten. Der Zaun befindet sich in einem so schlechten Zustand, dass es sich nicht auszahlt, er ist auch nicht denkmalwürdig, erklärt Daniel Dutkovski, Projektleiter “Stadtpark Atzgersdorf”. Anrainerin Silvia Jelinek wünscht sich die Erhaltung dieser alten Mauer und Einfriedung und hätte sich die Integration in denen neuen Stadtpark Atzgersdorf gewünscht.
ORF-FERNSEHBEITRAG ANSEHEN (5 MIN): https://tvthek.orf.at/profile/Studio-2/13890037/Studio-2/14109883/Stadtpark-Atzgersdorf/15019079 (20.10.2021, ORF-Studio 2: “Stadtpark Atzgersdorf”).
Quellen / Links:
Die alte Kreuzmühle auf Wien Geschichte Wiki: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Kreuzm%C3%BChle
Verfolgt- Vertrieben – Ermordet: Zur mahnenden Erinnerung durch Straßenbenennungen in Wien 23. (u.a. Kurzbiographie Gustav Pollak): http://david.juden.at/kulturzeitschrift/44-49/48-verfolgt.htm
Restitutionsbericht 2004: Zusammenfassende Darstellung betreffend den Erwerb von Kunstobjekten aus der Sammlung Gustav Pollak durch die Städtischen Sammlungen (in: “Fünfter Bericht des amtsführenden Stadtrates für Kultur und Wissenschaft über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek”, An den Gemeinderatsausschuss für Kultur und Wissenschaft, Stadtsenat sowie Gemeinderat; 22. November 2004): https://www.wienbibliothek.at/sites/default/files/files/wien-restitutionsbericht-2004.pdf
Gebietsbetreuung, Stadterneuerung: Ein Stadtpark für Atzgersdorf: Mehr Freiraum für alle! Der Campingplatz „Wien-Süd“ in Atzgersdorf startet im Jahr 2021 in seine letzte Saison. Dann wird der neu gewonnene Freiraum auf Initiative der Bezirksvorstehung Liesing als öffentlicher Park neu gestaltet. Wir laden die Menschen vor Ort zum Dialog und Mitgestalten ein und informieren über die aktuellen Schritte: https://www.gbstern.at/themen-projekte/ein-stadtpark-fuer-atzgersdorf
Medienberichte:
17. August 2021, ORF
Campingplatz wird öffentlicher Park. In Atzgersdorf in Liesing wird ein 30.000 Quadratmeter großer Campingplatz in einen öffentlichen Park umgestaltet. Bis Mitte September werden die letzten Dauercamper das Areal verlassen. Nun sind die Pläne für die Neugestaltung präsentiert worden: https://wien.orf.at/stories/3117328 (vgl. Stadt Wien-Website: “Neuer Stadtpark für Atzgersdorf”: https://www.wien.gv.at/bezirke/liesing/umwelt/atzgersdorf-park.html)
28. Juli 2020, MeinBezirk
Im August und September mitreden: Gestalten Sie den “Stadtpark für Atzgersdorf”. Die Gebietsbetreuung Stadterneuerung startet jetzt ein Beteiligungsprojekt zur Neugestaltung des Campingplatzes „Wien-Süd“: https://www.meinbezirk.at/liesing/c-lokales/gestalten-sie-den-stadtpark-fuer-atzgersdorf_a4167267
26. Februar 2018, MeinBezirk
Wird der Campingplatz zum neuen Park für Liesing? Die Zeichen stehen gut: Eine Umwidmung soll den Liesingern mehr Erholungsraum bringen: https://www.meinbezirk.at/hernals/c-lokales/wird-der-campingplatz-zum-neuen-park-fuer-liesing_a2408840