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Achenseebahn (Tirol): Meistgefährdetes Europäisches Kulturdenkmal

Europa Nostra –die europäische Stimme der Zivilgesellschaft für den Schutz und die Förderung des Kultur und Naturerbes hat am 8. April 2021 die Liste der “7 Meistgefährdeten Kulturerbestätten in Europa 2021 bekannt gegeben. An erster Stelle steht die Achenseebahn in Tirol. (Pressemitteilung englisch)

TIPP: VIDEOKONFERENZ: Mittwoch, 21. April, 18:00 Uhr
Die Achenseebahn in Tirol, Industriedenkmal in Gefahr: Details und Anmeldung

Die Achenseebahn ist eine dampfbetriebene Zahnradbahn, die Jenbach mit dem Achensee in Tirol verbindet. Die schmalspurige Achenseebahn, die seit über 130 Jahren im Einsatz steht, ist ein authentisches Beispiel für die europäische Industriegeschichte; es besteht jedoch die Gefahr, dass sie verloren geht – da sie auch nicht unter nationalem Denkmalschutz steht. Andere ähnliche europäische Eisenbahnen, die dasselbe System verwendeten, wurden wegen nicht durchgeführter Modernisierung und Überalterung der Technologie geschlossen oder abgerissen. Die Achenseebahn ist die einzige öffentliche Eisenbahn der Welt, die seit ihrer Eröffnung im Jahr 1889 die gesamte Ausrüstung eines Eisenbahnsystems aus dem späten 19. Jahrhundert nutzt. Dessen Elemente sind kohlegefeuerte Dampflokomotiven, Personenwagen, ein Lokschuppen mit Schiebebühne, Werkstatt, Gleise, Bahndämme und Brücken. Die Konzessionsurkunde für die Errichtung der Eisenbahn wurde vom österreichischen Kaiser Franz Josef I. unterzeichnet. Im Frühjahr 2020 ging die Achenseebahn Aktiengesellschaft in Konkurs. Die meisten von der Tiroler Landesregierung versprochenen Subventionen wurden nie ausgezahlt. Diese einzigartige Infrastruktur kann aufgrund mangelnder Wartung schnell kaputt gehen und ihre ursprüngliche und stets ausgeübte Funktion nicht mehr erfüllen. Das Internationale Komitee zur Erhaltung des industriellen Erbes (TICCIH) und der Internationale Rat für Denkmäler und Stätten (ICOMOS) unterstützten die Kampagne zur Erhaltung der Achenseebahn, an der lokale Verbände und Freiwillige beteiligt sind.

Nationaler Denkmalschutz

Der internationale Alarm durch ICOMOS im Mai 2020 (Heritage Alert) sowie ein unterstützender Warnruf Internationale Komitee zur Erhaltung des industriellen Erbes (TICCIH) bewegte dann doch das Bundesdenkmalamt (BDA), ein nationales Unterschutzstellungverfahren anzudenken. Die beabsichtigte, nur teilweise, Unterschutzstellung als Ergebnis der Recherchen Ende August 2020, führte zu einer ausgedehnten Stellungnahme von ICOMOS Austria, mit der eine zweistellige Anzahl an juristischen, technischen und inhaltlichen schweren Mängeln für den beabsichtigten Teilunterschutzstellungbescheid festgestellt wurden. Dennoch exekutierte das Bundesdenkmalamt Ende Dezember 2020 diesen Bescheid ohne jede Berücksichtigung der vorgebrachten Mängel und der internationalen Expertisen. Besonders betroffen macht, dass offensichtlich nicht nur bei diesem Bescheid des BDA, als Behörde der Republik, die Judikatur der nationalen Gerichte vollkommen unberücksichtigt bleibt. ICOMOS Austria hat daher den Teilunterschutzstellungsbescheid fristgerecht beeinsprucht. Der Einspruch ist beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig.

Achenseebahn, Tirol

Ein Zug der Achenseebahn mit nur einem Wagen auf dem Zahnstangenabschnitt oberhalb von Jenbach. Foto: 1977, (c) trams aux fils, CC BY 2.0, Wikipedia

Weiterführende Infos/Links:

Europa Nostra Pressemitteilung (8. April 2021):Achensee-Dampf-Zahnradbahn, Tirol, gelistet unter den 7 Meistgefährdeten Kulturerbe-Stätten in Europa im Jahre 2021″: http://icomos.at/wp2021/wp-content/uploads/2021/04/PR-7ME-2021-List-AT-final_20210408-1.pdf

ICOMOS: Achenseebahn (Heritage Alert): ICOMOS Heritage Alert seit Mai 2020 und 7 Most Endangered Site von Europa Nostra seit April 2021: http://icomos.at/wp2021/evaluiert/heritage-alert/achensee-bahn-alert

TICCIH: Achenseebahn: Brief von TICCIH-Präsident Dr. Miles Oglethorpe im Original: http://www.ticcih.at/2020/05/24/achenseebahn-tirol

ICOMOS: Heritage Alert (Kulturerbe-Alarm) Achenseebahn (Mai 2020): http://icomos.at/wordpress/heritage-alert-achenseebahn

Medienberichte:

12. April 2021, UnserTirol
Die Achenseebahn – ein gefährdetes Kulturgut: https://www.unsertirol24.com/2021/04/12/die-achenseebahn-ein-gefaehrdetes-kulturgut

10. April 2021, Tiroler Tageszeitung
Sorge um Dampfzahnrad-Bahn bei Denkmalschutz-Verbund „Europa Nostra“ (Bezahlschranke): https://www.tt.com/artikel/18024100/sorge-um-dampfzahnrad-bahn-bei-denkmalschutz-verbund-europa-nostra

14. März 2021, ORF
Erhalt der Achenseebahn – Fass ohne Boden? https://tirol.orf.at/stories/3094716

4. März 2021, ORF
Achenseebahn soll 2022 wieder fahren: https://tirol.orf.at/stories/3093191

15. Dezember 2020, Salzburger Nachrichten
Neuer Denkmalschutzalarm um die Achenseebahn (Bezahlschranke): https://www.sn.at/panorama/oesterreich/neuer-denkmalschutzalarm-um-die-achenseebahn-97053142

19. Oktober 2020, ORF
Achenseebahn: Land zahlt laufende Kosten: https://tirol.orf.at/stories/3072047

6. Juli 2020, ORF
Betrieb der Achenseebahn bleibt ungewiss: https://tirol.orf.at/stories/3056602

24. Mai 2020, ORF
Achenseebahn soll UNESCO-Welterbe werden: https://tirol.orf.at/stories/3049949

17. April 2020, in-motion.me
Achenseebahn, ein Opfer politischer Zerstörungswut! https://in-motion.me/articles/2020-04-17_ACHENSEEBAHN,-ein-Opfer-politischer-Zerst%C3%B6rungswut

11. April 2020, ORF
Land Tirol will Achenseebahn retten: https://tirol.orf.at/stories/3043616

25. März 2020, ORF
Achenseebahn ist in Konkurs: https://tirol.orf.at/stories/3040816

10. März 2020, ORF
Achenseebahn: Insolvenz steht bevor: https://tirol.orf.at/stories/3038247

Herrenhaus Halltal (Tirol): Nach Lawinenschäden 1999 jetzt vor Revitalisierung

Das Herrenhaus im Halltalauf etwa 1.500 Meter Höhe im Naturpark Karwendel  gelegen – wurde durch einen verheerenden Lawinenabgang im Februar 1999 schwer beschädigt. Die Lawine riss ein großes Loch in die Fassade, welches mit einem “Provisorium” vorübergehend geschützt wurde. Im Zuge der letzen Jahre schritt der Verfall weiter fort und das Industriedenkmal am Haller Salzberg (Gemeinde Absam) droht zur Ruine zu verkommen. Im Zuge einer Architektur-Masterarbeit “Das Herrenhaus im Halltal : funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes” (Franziska Zahn, Juli 2020) wurde die Öffentlichkeit letztes Jahr wieder auf das Herrenhaus aufmerksam. Im März 2021 wurde der Verein „Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal“ gegründet. Der Verein beabsichtigt, das Herrenhaus, das auch als Königsberg-Betriebsgebäude bezeichnet wird, vor dem Verfall zu retten. Das Herrenhaus wurde  um 1780  errichtet, später mehrfach umgebaut und erweitert. 1967 stellte die Salinen Austria AG den Bergwerksbetrieb ein. In Vorbereitung eines Verkaufs durch die Österreichische Republik (Österreichische Salinen) wurde das Herrenhaus 1977 fachlich unter Denkmalschutz gestellt (konkret: die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß; zuvor nur ‘ex lege’ – kraft gesetzlicher Vermutung – unter Denkmalschutz gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz). Das Haus stand nach der Betriebseinstellung 13 Jahre lang leer, bis es 1980 von Ekkehard Öfner privat gekauft und saniert wurde. Das Gebäude wurde der Öffentlichkeit durch einen Museumbetrieb und eine Gaststätte zugänglich gemacht. Am 24. Februar 1999 zerstörte eine Lawine den südwestlichen Teil des Königsberg-Wohnhauses, sodass der Betrieb eingestellt werden musste. Ziel des neu gegründeten Vereins ist es, den fortschreitenden Verfall des Herrenhauses aufzuhalten und eine Sanierung nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten anzuregen. Eine nachhaltige Nutzung im Bewusstsein und Respekt der historischen Erzählung sowie eine öffentliche Aufmerksamkeit soll angestrebt werden. In diesem Sinne erfolgt jetzt im ersten Schritt eine Bau- und Bestandsaufnahme durch Studierende des Tagekollegs der HTBLVA Ortweinschule – Bautechnik in Graz (HTBLVA = Höhere Technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt). Auf dieser Grundlage sollen danach Architektur-Studierende der Uni Innsbruck weiterarbeiten und Nutzungskonzepte erstellen. Bevor man jedoch mit einer Sanierung starten kann, ist die zukünftige Absicherung des Gebäudes (auch vor Lawinen) sicherzustellen und eine Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt nötig. Der neue Verein bittet jetzt um tatkräftige Mithilfe sowie Spenden (Bausteinaktion). Offizielle Website: https://herrenhaus.tirol.

Das Herrenhaus im Halltal 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal, Schäden nach dem Lawinenabgang, Foto: 1999, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Anmerkung: Unserem Verein Initiative Denkmalschutz liegt der aktuell gültige (dreiseitige) Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes aus dem Jahr 1977 vor (16.10.1977; Zl.8289/77). Damals wurde nicht nur die Außenerscheinung des Königsberg-Betriebsgebäudes samt den Tonnen- und Kreuzgewölben im Kellergeschoß unter Schutz gestellt, sondern auch das benachbarte Objekt: “die Außenerscheinung des Material- und Zeugbewahrungsgebäudes mit angebauter Kapelle in ihrer Gesamtheit”. Für die weiteren elf Nebengebäude wurde damals kein Denkmalschutz ausgesprochen (vgl. auch die Liste der denkmalgeschützten Objekte in Absam auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Absam).

Das Herrenhaus im Halltal vor 1999, Tirol

Das Herrenhaus im Halltal vor dem Lawinenunglück, Foto: ca. Mitte 1990er-Jahre, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Linktipps:

Podcast (22 min) Museum Absam – Herrenhaus im Halltal: Vergangenheit und Zukunft (10.12.2020). Franziska Zahn aus Reutlingen bei Stuttgart hat sich für ihre Masterarbeit über ein Jahr lang intensiv mit den baulichen Überresten des Salzbergbaus im Absamer Halltal beschäftigt. Im Zentrum der Recherchen für ihre Masterarbeit stand das Herrenhaus. Mit der Studie „Das Herrenhaus im Halltal – Funktionale Neuinterpretation eines bedeutsamen historischen Ortes“ hat sie unlängst ihr Architekturstudium an der Universität Innsbruck erfolgreich abgeschlossen. Im September haben wir mit Franzsika Zahn ein Interview geführt: Über die Baugeschichte im Halltal und über ihre Vorschläge für eine zukünftige Nutzung des Herrenhauses: https://soundcloud.com/museumabsam/franziska-zahn

– Die Geschichte und Areal des Herrenhauses: https://herrenhaus.tirol/geschichte

– Der Salzbergbau in Hall: https://www.hall-wattens.at/de/salzbergbau-zu-hall.html

Wandertipp zum Herrenhaus (und der Magdalenenkapelle): https://tirolischtoll.wordpress.com/2018/06/29/die-magdalenenkapelle-im-halltal

Wandertipp: ‘Mehr Geschichte geht nicht’: https://www.tt.com/artikel/13489990/mehr-geschichte-geht-nicht

Podcast (37 min) Museum Absam – Im Herrenhaus 1907 – der Journalist Max Winter (1870–1937) besuchte 1907 das Absamer Halltal. In einer Artikelserie für die »Arbeiter-Zeitung« berichtete er im Oktober 1907 darüber, welche Verhältnisse er in den Unterkünften der Salzberger im Herrenhaus vorgefunden hat: https://soundcloud.com/museumabsam/herrenhaus

Herrenhaus im Halltal, Luftbild, Tirol

Das Herrenhaus im Vordergrund (auch Königsberg-Betriebsgebäude genannt). Links dahinter zu sehen das ebenso denkmalgeschützte Material- und Zeugbewahrungsgebäude mit angebauter Kapelle. Die weiteren Nebengebäude stehen nicht unter Denkmalschutz, Foto: 2021, (c) Verein ‘Initiative rettet das Herrenhaus im Halltal’

Medienberichte:

18. Juni 2021, MeinBezirk
Initiative fordert Erhalt des historischen Herrenhauses. Absam. Das Herrenhaus im Halltal, gelegen im Karwendelgebirge auf zirka 1.500 m Seehöhe, ist ein Stück Salz- und Bergbaugeschichte. Außerdem zählt das historische Gebäude zu einem der wichtigsten Industriedenkmäler Tirols – doch nun droht es zur Ruine zu verkommen: https://www.meinbezirk.at/hall-rum/c-lokales/erhalt-des-historischen-herrenhauses_a4711604

14. Juni 2021, Tiroler Tageszeitung
Initiative will historisches Herrenhaus im Halltal retten: Ein neuer Verein möchte den Verfall des bergbaugeschichtlich einmaligen Komplexes stoppen und eine denkmalgerechte Revitalisierung angehen: https://www.tt.com/artikel/30793912/initiative-will-historisches-herrenhaus-im-halltal-retten

18.12.2020, Tiroler Tageszeitung
Herrenhaus im Halltal: Frische Ideen für einen historisch bedeutsamen Ort. Eine junge Architektin hat die Baugeschichte des Herrenhauses im Halltal akribisch aufgearbeitet – und regt eine Aufwertung des Areals an (Bezahlschranke): https://www.tt.com/artikel/17662376/herrenhaus-im-halltal-frische-ideen-fuer-einen-historisch-bedeutsamen-ort

Vollversammlung der Initiative Denkmalschutz, Pottendorf (Sa., 3.9.)

Samstag, 3. September 2022, Vollversammlung der Initiative Denkmalschutz, Pottendorf

in der ehemalige Spinnerei Pottendorf: 1801 als erste Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas gegründet und nach zwei großen Bränden im 19. Jh. sowie im 2. Weltkrieg stark zerstört, wurde die Fabrik im Jahre 1976 für immer still gelegt und das Fabriksgebäude eine Industrieruine. Vor rund 10 Jahren kaufte die Marktgemeinde Pottendorf das markante Backsteingebäude und ließ es spektakulär umbauen, der Vierkanter wurde im Inneren komplett entkernt, nur die historische Fassade ist erhalten geblieben. Heute sind darin das Gemeindeamt, ein Festsaal, die Musikschule sowie Wohnungen untergebracht.

Nach einer Mittagspause ist eine gemeinsame Besichtigung des revitalisierten Schlossparkes Pottendorf geplant. Einst einer der bedeutendsten Landschaftsgärten des Landes (seit 1978 ein Naturdenkmal, seit dem 21. Jh. unter Denkmalschutz) wurde der Park nach umfassender Sanierung 2009 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In weiterer Folge wurde auch die Schlosskapelle komplett saniert und neu eingedeckt. Auch für das heutige ruinöse, zweistöckige barocke Wasserschloss, das auf eine romanische Burganlage zurückgeht, sind weitere Renovierungen geplant.

Zeit: 10:00 Uhr  – Ort: Festsaal der ehemaligen Spinnerei Pottendorf, Alte Spinnerei 1, 2486 Pottendorf

Anmeldung erforderlich, bis spätestens Mittwoch, 31. August 2022

Kostenfrei – Individuelle Anreise (z.B. aus Wien: Abfahrt Hauptbahnhof Wien, 8:43 Uhr, SV511 Schienenersatzverkehr – Ankunft “Pottendorf-Landegg Bahnhof” 9:52 Uhr, danach 6 min Fußweg)

Linktipps:

ORF-Bericht: “Das Industrieviertel begann in Pottendorf. Rund um das Jahr 1800 gelang es durch einen Industriespionage-Coup, in Pottendorf die erste maschinelle Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas aufzubauen. Das „Industrieviertel“ war geboren. https://noe.orf.at/stories/3141393

Fotos der ehem. Baumwollspinnerei während des Umbaus (Erich J. Schimek / Initiative Denkmalschutz):
https://www.flickr.com/photos/id_ejs/sets/72157633131932954
https://www.flickr.com/photos/id_ejs/sets/72157650237110006