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Untersievering (Wien): Tragischer Kulturgutverlust vor Bauordnungsnovelle 2018

Bis zum Sommer 2018 waren erhaltenswerte historische Altbauten außerhalb von Schutzzonen quasi “vogelfrei”. Wenn die Gebäude nicht unter Denkmalschutz standen, reichte eine schlichte Mitteilung an die Baubehörde, und schon konnte mit dem Abriss begonnen werden. Bis 1996/97 war noch ein Ansuchen um eine Abbruchbewilligung nötig. Diese “Vereinfachung” hatte fatale Folgen für den Altbaubestand in Wien. Der Druck auf das historische Kulturerbe Wiens wurde von Jahr zu Jahr stärker, sehr viele wertvolle Altbauten wurden in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten abgerissen. Oft kam auch das Denkmalamt zu spät, weil von der schlichten Mitteilung des Abrisses bis zum Abriss selbst blieb kaum mehr Zeit für das Bundesdenkmalamt blieb, Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen (so geschehen in der Castelligasse 1, 1a, Ecke Schloßgasse 5 * im Dezember 2001 im 5. Wiener Bezirk Margareten sowie bei der Jugendstilivilla in der Buchbergstraße 1 im 14. Wiener Bezirk Penzing; vgl. Denkma[i]l Nr. 4/2010, Seite 6 f.). Auch wenn beim hier gezeigten Beispiel, dem Haus Weinzingergasse 5 das Bundesdenkmalamt wohl von einer Unterschutzstellung abgesehen hätte, wäre dieses Haus seitens der Stadt Wien (Magistratsabteilung 19 – Architektur und Stadtgestaltung) mit Sicherheit als erhaltenswert eingestuft worden. Auch wurde jahrzehntelang verabsäumt großzügige Schutzzonenerweiterungen zu widmen, obwohl die Notwendigkeit dafür eine MA19-Studie aus dem Jahr 1996 dies unzweifelhaft festgestellt hat. Bei der letzten Umwidmung im Jahr 2005 wäre die ideale Gelegenheit für eine Schutzzonenerweiterung gewesen. Das Haus Weinzingergasse 5 wird – wie auch die benachbarten  – im Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler (Hrsg. Bundesdenkmalamt) angeführt: “Verbauung E[nde]. 19. -A[nfang] 20. Jh. (…) Weinzingergasse 5, altdeutsch mit origineller, durch Risalite und Erker gegliederter Fassade und originalem Türblatt” (S. 602). So konnte im Dezember 2016 problemlos mit dem Abbruch eines frisch renovierten Altbaus begonnen werden (weitere Fotos vom Abriss von Erich J. Schimek für die Initiative Denkmalschutz). Das Grundstück wird in Folge maximal verwertet.

Weinzingergasse 5, Abriss 2016, Wien

Weinzingergasse 5 während des Abrisses, Foto: 18. Dezember 2016, Fotograf: Erich J. Schimek / Initiative Denkmalschutz

Unser Verein Initiative Denkmalschutz nahm den damaligen Abriss im Dezember 2016 zum Anlass auf die fatalen rechtlichen Rahmenbedingungen und den ungenügenden Schutz des Wiener Kulturerbes hinzuweisen, vgl. iD-Presseaussendung (20.12.2016): “Initiative Denkmalschutz: Weiterer Identitätsverlust in Döbling. Ein Ensemble in Untersievering wurde zerstört!. Heute zeigt sich mehr als deutlich das jahrzehntelange Versagen der Wiener Stadtpolitik. Eine schmerzliche Lücke wurde in ein geschlossenes Ensemble geschlagen, der unpassende Neubau markiert diese Lücke umso deutlicher. Weiterführende Infos finden sich im sehr guten BLOG WienSchauen.at (16.12.2020): “Döbling: Die fatalen Folgen der fehlenden Schutzzone”. Wir haben den aktuellen Blog-Beitrag zum Anlass genommen diesen Fall noch einmal aufzuzeigen. Freuen wir uns aber auf einen so wichtigen Zwischenerfolg wie die Novelle der Bauordnung von Wien im Sommer 2018, trotzdem bleiben viele wertvolle Gebäude weiterhin gefährdet, trotz Schutzzone und Erhaltungsverpflichtung! Unser Verein wird sich weiterhin engagiert für den Erhalt dieser gefährdeten Kulturgüter einsetzen …

Weinzingergasse 5, 1190 Wien

Weinzingergasse 5 kurz vor dem Abriss im Dezember 2016, Fotograf: Erich J. Schimek / Initiative Denkmalschutz

* Zu Abriss Castelligasse 1, 1a, Ecke Schlossgasse 5: Vgl. auch APA-OTS, 12. Jänner 2002, FPÖ Wien
FP-Herzog: “Innerstädtischer Musterbezirk” von BV Wimmer in schiefem Licht! Abriß eines Biedermeierhauses in Margareten wirft Fragen auf!: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20020112_OTS0006

Guntramsdorf (NÖ): Barockschloss 1951 abgerissen

ORF-SERIE “Verlorenes Erbe” – Folge 2: Schloss Guntramsdorf: Ein hochbarocker Pavillon zeugt noch von dem eindrucksvollen Schlossensemble samt Gartenanlage, das bis 1951 in der Gemeinde Guntramsdorf südlich von Wien stand (in nur 3 Kilometer Entfernung vom kaiserlichen Laxenburger Schloss). Der Entwurf wird dem bedeutenden Barockbaumeister Johann Lucas von Hildebrandt zugeschrieben, dieser italienische Barockarchitekt hat auch das berühmte Obere Belvedere in Wien gestaltet. Seine Werke stehen ausnahmslos unter Denkmalschutz. Nach dem 2. Weltkrieg stand das Schloss bis 1948 leer, damals wurde Vieles devastiert oder aus dem Schloss gestohlen. Nach dem Krieg erhielt die Familie Hussarek das Schloss zwar wieder zurück, doch die vielen Erben hatten sich nur auf den Verkauf des verwahrlosten Schlosses an die Stadt Wien (?!)  einigen können. Damals gehörte Guntramsdorf noch zum 24. Wiener Bezirk (Groß-Wien 1938-54). Im Wiener Rathaus konnte man am Schloss nichts erhaltenswertes erkennen. Schlussendlich wurde es 1951 abgerissen. Lediglich der ebenfalls desolate barocke Gartenpavillon entging diesem Schicksal, da dieser bereits 1945 von Frieda von Hussarek an den Verein für Denkmalpflege verkauft wurde (heute “Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege“). 1963 ging der 1715-17 erbaute Barockpavillon ins Eigentum der Gemeinde Guntramsdorf über. Er ist einer der qualitätsvollsten hochbarocken Gartenpavillons Österreichs und steht unter Denkmalschutz (Lage: zwischen Rohrgasse, Sportplatzstraße und Schlossgasse). Heute wird er ausschließlich für standesamtliche Trauungen vermietet. Der Pavillon steht in der Nordostecke des ehemaligen Schlossareals, von dem heute sonst nichts mehr zu erkennen ist, da sich an seiner Stelle eine Wohnsiedlung befindet. Einige Fragmente von Gartenfiguren sind im Guntramsdorfer Heimatmuseum ausgestellt. ORF-FERNSEHBEITRAG ZUM NACHSEHEN (5 MIN): https://tvthek.orf.at/history/Panorama/8378979/Ueberreste-des-Schloss-Guntramsdorf/14067640/Ueberreste-des-Schloss-Guntramsdorf/14775048 (11.2.2020, ORF-Studio 2 “Verlorenes Erbe: ‘Überreste’ des Schloss Guntramsdorf”; inklusive Interview mit: Franz Süppel (Zeitzeuge); Alexandra Janetschek-Borst (Landschaftsplanerin und Autorin)

Linktipps:

Schloss Guntramsdorf (RegioWiki.at): https://regiowiki.at/wiki/Schloss_Guntramsdorf

Schloss Guntramsdorf (Burgen-Austria.com): http://www.burgen-austria.com/archive.php?id=376

Der Barockpavillon (auf der Website der Gemeinde Guntramsdorf): https://www.guntramsdorf.at/cgi-bin/ONLWYSIWYG2008/ONL.cgi?WHAT=INFOSHOW&ONLFA=GUN&INFONUMMER=25350907

Der Barockpavillon in der Denkmalliste Guntramsdorf (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgesch%C3%BCtzten_Objekte_in_Guntramsdorf

Literatur:

Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Niederösterreich südlich der Donau (Teil 1: A bis L), Hrsg. Bundesdenkmalamt, Horn-Wien 2003, Seite 627f.)

Rudolf Büttner, Brigitte Faßbinder, Burgen und Schlösser in Niederösterreich, Zwischen Mödling, Purkersdorf und Klosterneuburg (Band 2 aus der Birken Reihe NÖ), Birken-Verlag, Wien, 2. erw. Auflage 1988, Seite 31 f.

 

ORF-Vorankündigung des Fernsehbeitrages (Februar 2020): “Verlorenes Erbe: Das kleine Schloss des großen Barockmeisters: Manche Künstler haben sich die Bezeichnung „unsterblich“ erworben. Auch nach Hunderten von Jahren ziehen ihre Werke die Menschen in ihren Bann. Wenn ein Bild oder ein Bauwerk eines solchen Superstars der Kunstwelt verloren geht, ist die Betroffenheit immer groß. Wenn ein solches Werk aber absichtlich zerstört wird, dann kann das eigentlich niemand verstehen. Einen solchen Fall stellen wir diesmal vor.”