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Wien: Neue Schutzzonen in Brigittenau – Stellungnahme zum Planentwurf 8338

Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zum Planentwurf 8338

Für das Gebiet zwischen Wallensteinstraße, Nordwestbahnstraße, Rabbiner-Schneerson-Platz, Linienzug 1-3 (Bezirksgrenze zum 2. Bezirk) und Rauscherstraße im 20. Bezirk, Katastralgemeinde Brigittenau

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der Erhaltung des örtlichen Stadtbildes und der Altstadterhaltung, also zur Gewährleistung des Bestandes, eine bestandsgenaue Widmung für die historisch wertvollen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebaubaren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Durch diese Maßnahme – und durch die Festsetzung einer Schutzzone – wird am ehesten der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Die Stellungnahme im Detail:

Sehr begrüßt wird die im Planentwurf vorgesehene, umfassende Vergrößerung der Schutzzonen. Insbesondere positiv hervorgehoben wird, dass nun auch stadtbildprägende Gründerzeitbauten mit zum Teil stark reduziertem Fassadendekor (aber oftmals mit gut erhaltenen Gründerzeitstrukturen und Dekorationselementen im Gebäudeinneren) für Schutzzonenwidmungen vorgesehen sind. Zitat im Erläuterungsbericht (Seite 15): „Einige Gebäude wurden trotz ihrer reduzierten oder kaum vorhandenen Dekorelemente, aufgrund der Proportionen und Strukturierung ihrer Fassaden, in Bezug auf das Umfeld als maßstäblich einheitliche Verbindung der historischen Nachbargebäude, in die Schutzzone aufgenommen.“

Nordwestbahnstraße 37-39, 1200 Wien

Das Eckhaus Nordwestbahnstraße 37 am Rabbiner-Schneerson-Platz 2 wird – ebenso wie das Gründerzeithaus Nordwestbahnstraße 39 (am rechten Bildrand) erstmals als Schutzzone gewidmet, Foto: Sept. 2021, (c) Markus Landerer / Initiative Denkmalschutz

Scharf kritisiert werden muss jedoch, dass die Bezirksvertretung Brigittenau noch während der öffentlichen Auflage ihre Stellungnahme zum Planentwurf abgegeben hat (15. September 2021), die öffentliche (sechswöchige) Auflagefrist aber erst am 14. Oktober endet (Zu dieser Problematik vgl. Bericht der Initiative Denkmalschutz: „Bezirkspolitik in Wien: Kein Interesse an Stellungnahmen der eigenen Bürger!“ (21.8.2020): https://www.initiative-denkmalschutz.at/berichte/bezirkspolitik-in-wien-kein-interesse-an-stellungnahmen-der-eigenen-buerger). Es wird daher nachdrücklich angeregt, dass die Magistratsabteilung 21 hinkünftig die öffentlichen Auflagen von Planentwürfen mit den Sitzungsterminen der örtlichen Bezirksvertretung zeitlich besser abstimmt, um diese Reihenfolge hinkünftig zu verhindern bzw. – noch besser – die Bauordnung entsprechend zu ändern (vgl. Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zur Bauordnungsnovelle 2021 vom 20.9.2021 zu § 2 Abs. 5: https://www.initiative-denkmalschutz.at/stellungnahme/wien-stellungnahme-bauordnungsnovelle-2021-initiative-denkmalschutz).

Abschließend wird nachdrücklich vorgeschlagen, für die Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Kunzgasse 7, 1200 Wien

Das Gründerzeithaus Kunzgasse 7 wird ebenso erstmals als Schutzzone gewidmet, Foto: Sept. 2021, (c) Markus Landerer / Initiative Denkmalschutz

Markus Landerer und Dr. Gerhard Hertenberger, im Namen der
Initiative Denkmalschutz, Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
www.initiative-denkmalschutz.at, mobil: +43 (0)699 1024 4216
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Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien, Österreich
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ZVR-Nr.: 049832110

Wien: Frauenheim Meidling – Stellungnahme Planentwurf 7870E

Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zum Entwurf Flächenwidmungs- und Bebauungsplan 7870E

Für das Gebiet zwischen Bischoffgasse, Frauenheimgasse und Schönbrunner Straße im 12. Bezirk, Katastralgemeinde Meidling in Wien

Der Verein Initiative Denkmalschutz gibt folgende Stellungnahme ab:

Einleitung: Grundsätzlich wird im Sinne der Erhaltung des örtlichen Stadtbildes und der Altstadt­erhaltung, also zur Gewährleistung des Bestandes, eine bestandsgenaue Widmung für die historisch wertvollen Objekte im Plangebiet sowohl in der Höhenentwicklung, als auch hinsichtlich der bebau­baren Fläche vorgeschlagen. Ebenso möge die Anzahl der Hauptgeschoße mit einer besonderen Bestimmung (BB) exakt dem Bestand angepasst werden. Dadurch wird auch am ehesten – neben der Festsetzung einer Schutzzone – der Anreiz für Abbruch und Neubau vermieden.

Die Stellungnahme im Detail:

Das einzige Gebäude im Planentwurf ist das so genannte Pflegeheim „Haus Schönbrunn“, ein Pflegewohnhaus der Caritas der Erzdiözese Wien (Adresse: Frauenheimgasse 2, Bischoffgasse 2, Schönbrunner Straße 295).

Es ist eingroßzügig dimensionierter Baublock in späthistoristischen Formen mit Park zur Schönbrunner Straße (Zitat Dehio) und wurde als Wiener Frauenheim vom Architekten Karl Holzer 1906-07 erbaut (Entwurf). Ausführung: Karl Krepp, Friedrich Mahler und Albrecht Michler). Eröffnung 1907 von Erzherzogin Marie Valerie (Gedenktafel). Es ist „ein langgestreckter, zweistöckiger Bau, der durch einen Mittel- sowie zwei Eckrisalite aufgelockert ist. Die Risalite sind über das oberste Gesims hochgezogen, wodurch sich in der Zusammenschau mit den Rundbogenfenstern und Balkonen ein malerisches Erscheinungsbild ergibt.“ (Zitat Architektenlexikon). Ursprünglich wurde der Verein „Wiener Frauenheim“ von Auguste von Littrow (geborene Bischoff) 1881 gegründet. Es bot alleinstehenden, mittellosen, gebildeten Frauen Verpflegung und Unterkunft. Das erste derartige Altersheim fand seinen Sitz (hier) in der Sommervilla der Familie der Initiatorin („Bischoffvilla“).

Es wird dringend empfohlen dieses historisch wertvolle Gebäude als Schutzzone zu widmen, zumal es derzeit nicht unter Denkmalschutz gemäß Bundesgesetz steht (Denkmalschutzgesetz), jedoch spätestens seit 1996 bekannt ist, dass im Schutzzonenmodell der Stadt Wien (Magistratsabteilung 19, Architektur und Stadtgestaltung) das betreffende Plangebiet als mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ schutzwürdig ausgewiesen wurde.

Die Ermöglichung der Verbauung im Parkschutzgebiet (Spk) im aktuellen Planentwurf wird als äußerst kritisch betrachtet. Unser Verein Initiative Denkmalschutz empfiehlt daher die Beibehaltung des aktuell gültigen Bebauungsplanes (Plandokument 7870), der auch den Nordteil der Parkanlage unverbaut lässt. Es wird daher nachdrücklich empfohlen, nach Alternativen für das aktuell in Diskussion stehende Bauprojekt zu suchen, damit nicht nur die gesamte Parkanlage, sondern auch die historische Nordfassade erhalten werden kann.

Abschließend wird nachdrücklich empfohlen für die vorgeschlagene Schutzzone die entsprechenden Architekturteile in einen Katalog nach § 7 (4) Wiener Bauordnung aufzunehmen, sodass auch diese einen rechtsverbindlichen Bestandteil des Bebauungsplanes bilden.

Markus Landerer und Claus Süss
im Namen des Vorstandes der Initiative Denkmalschutz

Initiative Denkmalschutz
Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien, Österreich
www.initiative-denkmalschutz.at
mobil: +43 (0)699 1024 4216
email:
(ZVR-Nr.: 049832110)

 

Literatur und Links:

– Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien X. bis XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk (Hrsg. Bundesdenkmalamt), Wien 1996, Seite 142

– Architektenlexikon Wien 1770-1945 des AzW (Architekturzentrum Wien) – Eintrag „Karl Holzer“, dort auch Beschreibung Frauenheim, siehe: http://www.architektenlexikon.at/de/239.htm

– Wien Geschichte Wiki: „Wiener Frauenheim (12, Frauenheimgasse 2)“: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wiener_Frauenheim_(12,_Frauenheimgasse_2) sowie „Bischoffvilla“: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Bischoffvilla

– Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Band III/1, Wien 1.-12. Bezirk, Salzburg und Wien, 1990, Seite 326

– Kulturgüterkataster der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/kulturportal/public (insbesondere Generalstadtplan 1912 sowie Fotodokumentation aus 2000)

– Schutzzonenmodell Wien der Magistratsabteilung 19 aus dem Jahr 1996, Wien-Karte: “Grundlage für die flächendeckende Darstellung künftiger Untersuchungsgebiete” (Schutzzone Ausgangslage; Stand: 1996), siehe: http://www.idms.at/images/IDMS/x_diverse/Schutzzonenplan.jpg

– Petition „Stoppt die Verbauung des Frauenheimparks in Obermeidling!“ vom Juni 2018 (gemäß Gesetzes über Petitionen in Wien, LGBl. 2/2013), siehe: https://www.wien.gv.at/petition/online/PetitionDetail.aspx?PetID=bdc3612a00d24ac08bcd99086db12a9c

 

Keine Schutzzone in Wien-Floridsdorf? Geplante Umwidmung ignoriert klar erhaltenswerte Altbauten in der Brünner Straße 59-65

APA-OTS-Presseaussendung der Initiative Denkmalschutz

Heute soll Vorentscheidung im Planungsausschuss fallen. Initiative Denkmalschutz kritisiert die oft nicht nachvollziehbaren Kriterien für Schutzzonenwidmungen.

Immer wieder kommt es bei Umwidmungen vor, dass klar erhaltenswerte Altbauten nicht als Schutzzone gewidmet werden. Auch wird im Rahmen von Umwidmungsverfahren so gut wie nie der Motivenbericht der Magistratsabteilung 19 (Architektur und Stadtgestaltung), die für die fachliche Beurteilung der Schutzzonen zuständig ist, transparent gemacht. Die Initiative Denkmalschutz fordert endlich Transparenz und Offenlegung der Kriterien ein.

Planentwurf 8347: Planungsausschuss ist heute gefordert zu handeln

So passiert es im aktuellen Umwidmungsverfahren in der Brünner Straße (Kat. G. Großjedlersdorf): Die zwei Gründerzeithäuser Brünner Straße 59-61 sowie die 1930-31 erbaute Wohnhausanlage Brünner Straße 63-65 sollen keine Schutzzonenwidmung erhalten. Heute tagt dazu der zuständige Gemeinderatsausschuss für Stadtplanung (vulgo “Planungsausschuss”). Unser Verein Initiative Denkmalschutz fordert diesen auf, die drei Gebäude noch als Schutzzonenwidmung aufzunehmen und einen entsprechenden Beschluss für den Gemeinderat vorzubereiten.

Oft übersehen: Auch den örtlichen Bezirksvertretungen kommt eine hohe Verantwortung für das historische Kulturerbe zu!

Die örtlichen Bezirksvertretungen beschließen zwar nicht die Umwidmungen, doch sie geben eine Stellungnahme zu den Planentwürfen ab, die wesentlichen Einfluss auf den rechtsgültigen Beschluss im Gemeinderat hat. In diesem Fall hat unser Verein Initiative Denkmalschutz zeitgerecht den Floridsdorfer Bauausschuss auf das oben erwähnte Problem hingewiesen, doch in der Stellungnahme der Bezirksvertretung wurde diese Anregung unverständlicher Weise nicht aufgenommen. So bleibt nun als letzte Hoffnung der Planungsausschuss.

Rückfragehinweis:

Markus Landerer (0699/1024 4216) und Dr. Gerhard Hertenberger (0676/7723433)
Initiative Denkmalschutz, Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
www.initiative-denkmalschutz.at
1090 Wien

Originale APA-OTS-Presseaussendung: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220527_OTS0010

Initiative Denkmalschutz: Angekündigte große Bauordnungsnovelle für Wien ist überfällig. Aktuell Umwidmung Oberlaa

Initiative Denkmalschutz: Die angekündigte große Bauordnungsnovelle für Wien ist überfällig, um laufende Kulturgutverluste zu verhindern!

Am 9./10. November soll in einer großen Fachenquete über die Änderung der Bauordnung für Wien beraten werden. Das aktuelle Umwidmungsverfahren Oberlaa zeigt den Handlungsbedarf

Wien (OTS) – Die Bauordnungsnovelle vom Frühsommer 2018 war ein wichtiger Meilenstein. Damals sind endlich auch erhaltenswerte historische Gebäude außerhalb von Schutzzonen vor dem Abriss geschützt worden (nachdem jahrzehntelang Schutzzonenerweiterungen sträflich vernachlässigt worden waren; vgl. MA19-Studie aus 1996).

Erschwerung der “wirtschaftlichen Abbruchreife” ein Muss!

Das Problem verlagert sich jetzt jedoch immer mehr auf die “Umgehung” dieser Erhaltungspflicht, durch Nachweis eines angeblich so schlechten Bauzustandes, sodass dann – belegt durch ein Privatgutachten – trotzdem abgerissen werden darf (gemäß § 60 Abs. 1 lit. d Bauordnung für Wien), auch wenn – wie unlängst in Meidling in der Hohenbergstraße 18 – das Haus wenige Jahre zuvor sogar renoviert wurde. Eine zentrale Rolle bei der Berechnung der “wirtschaftlichen Abbruchreife” spielt auch der Wiener Altstadterhaltungsfonds, denn sind zu geringe Fördersummen vorhanden, wird ein Altbau allein deswegen quasi als in seinem Bauzustand zu schlecht deklariert.

Pflicht zum guten Bauzustand in Bauordnung nur Makulatur?

Dabei wären die Eigentümer gemäß Gesetz sogar dazu verpflichtet (gemäß § 129 Abs. 2), dass die Bauwerke “in gutem (…) Zustand erhalten werden”. Wie es sein kann, dass dann viel zu oft der schlechte Bauzustand die Begründung für eine Abbruchbewilligung bildet, ist aufklärungs- und auf jeden Fall reformbedürftig.

Kulturerbe braucht Schutz im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan

Zentral für die Erhaltung historischer Gebäude ist auch eine entsprechende, weitgehend bestandsgenaue Flächenwidmung für den Altbau (Ausweisung im Bebauungsplan). Kann größer und höher gebaut werden als das historische Bestandsgebäude, wird der Anreiz es abzureißen deutlich erhöht, und die Geldstrafe für illegale Abrisse wird durch den Widmungsgewinn mehr als kompensiert.

Bürgerbeteiligung/-anhörung bei Flächenumwidmungen ein Witz!

Im Rahmen von Umwidmungsverfahren können Bürger:innen und NGOs, genauso wie die politischen Bezirksvertretungen, Stellungnahmen abgeben (“Anhörungsrecht”). Wer glaubt, der Bezirk vertritt die Interessen der Bürger:innen, der hat sich geirrt. Dies ist in der Bauordnung nicht vorgesehen. So wird jetzt in Oberlaa (10. Bezirk) der Bauausschuss abschließend über den Inhalt der Stellungnahme der Bezirksvertretung Favoriten beraten, ohne alle Stellungnahmen der Bürger:innen kennen zu können (der Bauausschuss tagt, wie so oft, noch vor dem Ende der Stellungnahmefrist am 3.11., 24 Uhr). Dabei hätte die Stellungnahme des Bezirks wesentlichen Einfluss auf den rechtsgültigen Beschluss im Gemeinderat. Auch spannend dabei: Fünf Planentwürfe sind gleichzeitig in öffentlicher Auflage, also über ein Gebiet, das mehr als doppelt so groß ist (3,64 km2) wie der 4. Bezirk Wieden. Wie die Bezirksräte ob der schieren Größe der 5 Plangebiete eine fundierte Stellungnahme abgeben können, muss ein Rätsel bleiben.

Der Fachbeirat für Stadtplanung benötigt Ersatzmitglieder

Im Rahmen von Umwidmungsverfahren gibt der “Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung” seine Stellungnahme ab. Doch deklarieren sich immer wieder einzelne Fachbeiratsmitglieder als befangen, sodass ihr Fachbereich (z.B. Raumplanung, Denkmal- oder Verkehrswesen), dann im Umwidmungsverfahren vollkommen fehlt. So geschehen aktuell im Planentwurf Nr. 8262 beim Kurpark Oberlaa.

Die Rahmenbedingungen für den Erhalt historischer Bauten müssen endlich verbessert werden. Das Mietrechtsgesetz diskriminiert Eigentümer von Altbauten (erbaut vor 1945), die denkmalgerechte Restaurierung ist aufwendiger, und schlussendlich können allzu oft die Flächenwidmungs- und Bebauungspläne Abrisse “fördern”.

Rückfragen & Kontakt:

Markus Landerer (0699/1024 4216) und Dr. Gerhard Hertenberger (0676/7723433)
Verein Initiative Denkmalschutz, www.idms.at

Aktueller Bericht im Standard (30.9.2022): 
Wohnbau in Österreich: Stadt Wien will Abbrüche weiter erschweren. Die anstehende Wiener Bauordnungsnovelle war das große Thema des 5. Stadtentwicklungstags des ÖVI (Österreichischer Verbands der Immobilienwirtschaft). Der “Schutz der Gründerzeit” soll verstärkt werden: https://www.derstandard.at/story/2000139543107/stadt-wien-will-abbrueche-weiter-erschweren

Weitere Infos/Links:

Offzielle OTS-Presseaussendung der Stadt Wien zu den Umwidmungen in Oberlaa (9.9.2022):
Südraum Favoriten: Entwicklungskonzept kommt in Umsetzung. Schutz der alten Ortskerne rechtlich fixiert, klimagerechte Entwicklung an Kurbadstraße in öffentlicher Auflage – Zusätzliches Service durch Bürger*innenveranstaltungen: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220909_OTS0074

Initiative Denkmalschutz (21.8.2020): Bezirkspolitik in Wien: Kein Interesse an Stellungnahmen der eigenen Bürger!
https://www.initiative-denkmalschutz.at/berichte/bezirkspolitik-in-wien-kein-interesse-an-stellungnahmen-der-eigenen-buerger/

Ausführliche Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zur Bauordnungsnovelle 2021 (20.9.2021):
Stellungnahme der Initiative Denkmalschutz zum Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Bauordnung für Wien geändert wird:
https://www.initiative-denkmalschutz.at/stellungnahme/wien-stellungnahme-bauordnungsnovelle-2021-initiative-denkmalschutz

 

Sanatorium Purkersdorf Parkverbauung: Stellungnahme zur geplanten Umwidmung

Initiative Denkmalschutz

Stellungnahme zur 19. Änderung des Flächenwidmungsplanes und 26. Änderung des Bebauungsplanes in 3002 Purkersdorf bei Wien (NÖ)

Zl.: B-031/2-wo-4596/2-2022

betreffend Wiener Straße 68 (Teil des ehemaligen Sanatoriumsparks)
Grundstücksnummer (GST-NR) 170/14 (ÄP 2)

FW-Änderungen: Widmungsänderung von BS-Pflegeheim Seniorenbetreuung in BKN-1,1-Generationenhaus
BB-Änderungen: Festlegung 1,1/g/III, Anpassung Freifläche, Festlegung seitliche Baufluchtlinie

im Zusammenhang mit dem denkmalgeschütztem Sanatorium Purkersdorf („Seniorenresidenz Hoffmannpark“) auf dem Nachbargrundstück Wiener Straße 64-66 (GST-NR. 170/3; EZ 2489) sowie der historischen Gartenanlage auf beiden Grundstücken.

S t e l l u n g n a h m e:

Die laut Planentwurf zur Verbauung vorgesehene Grünfläche mit der GST-NR 170/14 (EZ 2605) grenzt unmittelbar an das weltberühmte Gebäude des ehemaligen Sanatoriums Purkersdorf (ehem. „Sanatorium Westend“) an, das als ein „Gesamtkunstwerk“ gilt und „zu einem Inkunabel der Architektur des 20. Jahrhunderts“ wurde (Zitat aus dem Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes aus 1992, S. 5). Diese Grünfläche bildet nicht nur einen essenziellen Teil des (ehemaligen) Sanatoriumsparks, sondern gilt auch als eine wichtige Freifläche für die Sichtbarkeit und Wirkung einer der Ikonen der österreichischen Architektur der Moderne, insbesondere die Blickbeziehung von der Wiener Straße her betreffend.

Das Sanatorium-Hauptgebäude (Hoffmann-Pavillon) gilt als Hauptwerk der kubisch-geometrischen Phase des Wiener Jugendstils. Es wurde 1904-06 vom berühmten Architekten Josef Hoffmann erbaut und bildet mit dem Park eine kulturgeschichtliche Anlage und Einheit. Nicht umsonst fand der „Sanatoriumspark“ Aufnahme im Standardwerk „Historische Gärten Österreichs – Garten und Parkanlagen von der Renaissance bis 1930“ von Eva Berger (Band 1: Niederösterreich, Burgenland, Wien-Köln-Weimar 2002, Seite 472 f.). Noch viel mehr betont der Unterschutzstellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes (BDA) die Bedeutung und Wichtigkeit der dem Sanatorium zugehörigen Parkanlage: „Die den Objekten zugehörige und den Charakter der Anlage unterstützende Ausformung des Gartenbereiches mit seinen Wegen, Beeten und Bepflanzungen, stellt einen integrierenden Teil des Denkmals im Hinblick auf das intendierte Gesamtkunstwerk dar. (Zitat aus dem BDA-Unterschutzstellungsbescheid von 1992, S. 5).

Gemäß unseren umfassenden Grundbuchs-Recherchen unterliegt das betreffende Grundstück 170/14 weiterhin den Denkmalschutzbestimmungen, da eine entsprechende amtliche Löschung des Denkmalschutzes für das Grundstück nicht gefunden werden konnte, und diese Fläche im Unterschutzstellungsbescheid aus 1992 mitumfasst ist (damals mit der GST-NR. 170/1 (EZ 1827) und 170/3 (EZ 1826); eine abschließende Beurteilung respektive Verifizierung war uns in der kurzen Zeit jedoch nicht möglich). Es findet somit unserer Auffassung nach weiterhin der § 5 Abs. 1 im Zusammenhang mit dem § 4 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes Anwendung, in der „jede Veränderung, die (…) die überlieferte (gewachsene) Erscheinung oder künstlerische Wirkung beeinflussen könnte“, einer Bewilligung des Bundesdenkmalamtes bedarf.

Das Denkmalamt konnte die Freifläche / Parkanlage jedoch nicht als „historische Gartenanlage“ unter Schutz stellen (obwohl im Unterschutzstellungsbescheid auf Seite 5 klar intendiert), da das österreichische Denkmalschutzgesetz hier – einzigartig in Europa – eine große verfassungsrechtliche Lücke aufweist. Umso mehr liegt daher die kulturelle Verantwortung, dieses Kulturjuwel von der Verbauung freizuhalten, bei der Gemeinde Purkersdorf und dem Land Niederösterreich, zumal auch ein „generelles Leitziel“ gemäß § 1 Abs. 2 (1) lit. f. NÖ Raumordnungsgesetz 2014 die Erhaltung (…) des Orts- und Landschaftsbildes darstellt. Dies wird hier – ob der einzigartigen Bedeutung des Hoffmann-Baues – in keiner Weise entsprochen, ganz im Gegenteil.

Umso befremdlicher wirkt daher auch die im Erläuterungsbericht zur geplanten Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes profane Begründung zur Verbauung: „Eine Nutzung der gegenständlichen Liegenschaft als Parkanlage für die Seniorenresidenz Hoffmannpark ist im gegebenen Ausmaß nicht erforderlich [!], da die umgebenden Bereiche des Areals des ehemaligen Sanatoriums ein ausreichendes Maß an Freiräumen zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt da die Parkanlage nicht öffentlich zugänglich ist, liegt im Bereich der gegenständlichen Liegenschaft eine sehr geringe Nutzungsdichte vor.“ (Zitat ident sowohl im Erläuterungsbericht zur Änderung des Bebauungsplanes, S. 6 als auch im Erläuterungsbericht zur Änderung des Flächenwidmungsplanes, S. 7).

Umso absurder muss daher auch die profane Interessensabwägung erscheinen: „In der Abwägung der Interessen wird der Ermöglichung von zwei für die Aufrechterhaltung einer bedarfsgerechten sozialen Infrastruktur erforderlichen Kindergartengruppen ggü. dem größtmöglichen Erhalt der Sichtachse zum Sanatorium Vorrang eingeräumt.“ (Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan, S. 8).

Es ist das übliche, allzu oft schlechte Spiel der Politik. Nutzungen für den „guten Zweck“ werden für geplante Verbauungen in sensible Natur- und Kulturräume als Argument vorgeschoben, im Wissen, dass man deren Verbauung anders schwerlich begründen kann. Unser Verein möchte daher ganz klar hinterfragen, ob die Gemeinde Purkersdorf wirklich nur im Bereich des Sanatoriums die dafür nötige Bebauungsfläche (oder Gebäude) finden kann, um hier die oben erwähnte soziale Infrastruktur für die Gemeinde herstellen zu können. Unser Verein möchte das ganz stark in Zweifel ziehen (Vgl. dazu, Robert Schediwy, Von guten Zwecken und Verwertungsinteressen, in: Zeitschrift „Denkma[i]l Nr. 3 / Okt. 2009, Nachrichten der Initiative Denkmalschutz, S. 15 f.: https://www.initiative-denkmalschutz.at/denkmail/Denkmail_Nr_03_web.pdf).

Der Verein Initiative Denkmalschutz spricht sich daher ganz klar gegen diese Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes aus. Ganz im Gegenteil, es wird nachdrücklich angeregt, diesen Bereich, der auch aktuell schon für eine – etwas geringere Verbauung – zugelassen ist, wieder rückzuwidmen, damit dieser weiterhin unverbaut bleiben und damit der überragenden kulturgeschichtlichen Bedeutung des ehemaligen Sanatoriums, ein Denkmal von internationaler Bedeutung(!), gerecht werden kann.

Markus Landerer und DI Dr. Alexander Schmiderer
Initiative Denkmalschutz – Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter
Fuchsthallergasse 11/5, 1090 Wien
www.initiative-denkmalschutz.at
Mobil: 0699 / 1024 4216
ZVR-Nr.: 049 832 110

PS: Ebenso kritische Stellungnahmen haben dazu u. a. auch die Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs LV Wien Niederösterreich Burgenland sowie die Aktionsgruppe “Bauten in Not”.

PPS: Die öffentliche Auflage zur Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes war vom 12.12.2022 bis 23.01.2023 (= Ende Stellungnahmefrist)